Gemeinsame Erklärung zur Professur mit Schwerpunkt Lehre

Gemeinsame Erklärung der Konferenz der Fachbereiche Physik und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Bad Honnef, 11. Oktober 2007 – Das deutsche Hochschulsystem durchläuft zurzeit zahlreiche
Veränderungen. Im Rahmen des europäischen „Bologna-Prozesses“ werden Bachelor- und
Master-Studiengänge eingeführt, die eine intensivere Betreuung der Studierenden erfordern.
In diesem Zusammenhang wird die Einrichtung einer „Professur mit Tätigkeitsschwerpunkt
Lehre“ diskutiert. Die Konferenz der Fachbereiche Physik und die Deutsche Physikalische
Gesellschaft äußern sich hierzu folgendermaßen:

Für die kommenden Jahre ist ein starker Anstieg der Studierendenzahlen an deutschen Universitäten
abzusehen. Gleichzeitig erfordern die Bologna-Reformen eine intensivere Betreuung
der Studierenden. Vor dem Hintergrund der resultierenden Kapazitätsprobleme hat der Wissenschaftsrat
zusätzliche Mittel für den Ausbau der Lehrkapazitäten gefordert. Um das zusätzliche
wissenschaftliche Personal möglichst effizient einzusetzen und die Qualität der Lehre
weiter zu steigern, wurde vom Wissenschaftsrat eine „Professur mit Tätigkeitsschwerpunkt
Lehre“ vorgeschlagen.

Die Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) und die Deutsche Physikalische Gesellschaft
(DPG) begrüßen neue Konzepte, mit denen die Qualität der universitären Lehre weiter verbessert
werden soll. Die Hochschulausbildung im Fach Physik ist für Lehrende und Lernende gleichermaßen
herausfordernd: Einerseits muss in kürzester Zeit ein breites Spektrum von teils
sehr komplexen Grundlagen vermittelt werden, andererseits erfordert der rasante wissenschaftliche
Fortschritt die zügige Weitergabe der neuesten Forschungsergebnisse an die Studierenden.
Vernünftige Betreuungsrelationen sind notwendig, um eine exzellente Ausbildung
der Studierenden bei geringer Abbrecherquote zu gewährleisten, was für den Technologiestandort
Deutschland von existenzieller Bedeutung ist.

In der Physik wurde die Zahl der Professoren in den letzten zehn Jahren um 13 % abgebaut.
Hingegen sind im gleichen Zeitraum die Anfängerzahlen um fast 50 % angestiegen. Beim dringend
nötigen Wiederaufbau von Lehrkapazität erscheint die Einführung einer Professur mit
Tätigkeitsschwerpunkt Lehre mit einem Lehrdeputat von maximal 12 Semesterwochenstunden
(SWS) als eine begrüßenswerte Variante der Flexibilisierung der Professorentätigkeit.

Voraussetzung ist allerdings, dass sie tatsächlich im Sinne der Intention des Wissenschaftsrates eingesetzt
wird, also zur gezielten Verbesserung der Qualität der Lehre. Eine Zweckentfremdung
als kostenneutraler Mechanismus zur Behebung von Kapazitätsengpässen ist jedoch entschieden
abzulehnen. Das Lehrdeputat von durchschnittlich 8 SWS muss weiterhin der Regelfall
bei einer Universitätsprofessur bleiben, damit der Forschungsauftrag in enger Vernetzung
mit der Lehre erfüllt werden kann.

Für die erfolgreiche Etablierung der Professur mit Tätigkeitsschwerpunkt Lehre sind folgende
Eckpunkte unabdingbar:

  • Gleichstellung mit den regulären Universitätsprofessuren bei Vergütung, Ressourcenzugang
    und akademischen Rechten,
  • Durchlässigkeit zwischen beiden Karrierewegen,
  • Einrichtung qualifizierter Schulungsangebote zur Förderung der Lehre, insbesondere für
    den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Als weitere Maßnahmen zur Behebung von zeitlich begrenzten Kapazitätsengpässen bieten
sich die Einführung flexibler Altersgrenzen für Hochschullehrer, die Einrichtung von Seniorprofessuren
mit Schwerpunkt Lehre sowie vorgezogene Neuberufungen an. Auch könnten individuelle,
eventuell zeitlich befristete Festlegungen des Lehrdeputats im Bereich von 4 – 12 Semesterwochenstunden
(je nach hochschulspezifischer Belastungssituation) die Hochschulen
in die Lage versetzen, vorübergehende Personalengpässe in Forschung und Lehre auszugleichen.
Hingegen erscheinen bürokratische Berechnungsformeln (Kapazitätsverordnung, Curricularnormwerte),
die Lehrressourcen und Studienplatzkapazitäten in ein grobes, quantitatives
Schema einpassen wollen, im Interesse einer qualitativ hochwertigen Lehre nicht mehr angemessen.

Die DPG und KFP bieten den Verantwortlichen in Hochschule und Politik an, ihre Expertise in
die anstehenden Reformen zur Steigerung der Lehrqualität an deutschen Universitäten einzubringen.

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft e.V. (DPG) ist die älteste und mit mehr als 55.000 Mitgliedern
die größte physikalische Fachgesellschaft weltweit. Als gemeinnütziger Verein verfolgt sie keine
wirtschaftlichen Interessen. Die DPG fördert den Erfahrungsaustausch innerhalb der wissenschaftlichen
Gemeinschaft und möchte darüber hinaus allen Neugierigen ein Fenster zur Physik öffnen. Sitz
der DPG ist Bad Honnef am Rhein. Infos: www.dpg-physik.de

Die Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) ist die Vereinigung der 59 Physik-Fachbereiche und
Fakultäten der deutschen Universitäten. Infos: www.kfp-physik.de