Die Wolke des Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai-Vulkanausbruchs erreichte laut einer Satellitenaufnahme eine Höhe von ca. 56 km und drang damit in die Mesosphäre ein. (Grafik: DPG/Carstensen)

Atmosphärenphysik: Auswirkungen des Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai-Vulkanausbruchs

Ausgabe 71 | Februar 2024 | „Vulkanausbrüche können über Jahre deutliche Klimaveränderungen verursachen. Die Hunga-Tonga-Eruption erlaubt einzigartige Einblicke in die Physik der Atmosphäre.“ - Joachim Ullrich (DPG-Präsident)

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  • Immer mehr zeigt sich, dass die Eruption des Hunga-Tonga-Hunga-
    Ha’apai am 15. Januar 2022 ein außergewöhnliches natürliches Experiment darstellt. Sie ist seither zunehmend Forschungsgegenstand der Atmosphärenphysik.
  • Der Ausbruch trug an nur einem Tag eine sehr große Menge Wasserdampf in die Stratosphäre ein, die ca. 15 Prozent des gesamten H2O-Inventars dieser Atmosphärenschicht entspricht.
  • Die initiale Vulkanwolke ist mit 56 km Höhe die höchste beobachtete Vulkanwolke der vergangenen 50 Jahre, seit Satellitenmessungen stratosphärischer Aerosole durchgeführt werden.

Vulkanausbrüche können einen erheblichen Einfluss auf die Physik der Atmosphäre und das Erdsystem haben. Die für Änderungen des Klimas der Erdoberfläche relevantesten vulkanischen Schwebeteilchen oder Aerosole sind stratosphärische Sulfataerosole, die aus Lösungen von Schwefelsäure und Wasser bestehen und Durchmesser von einigen hundert Nanometern (nm) besitzen. Diese Sulfataerosole führen im Allgemeinen zu einer Abkühlung der Erdoberfläche, weil sie mehr Sonnenstrahlung ins All zurückstreuen. Das bekannteste Beispiel ist die Eruption des philippinischen Vulkans Pinatubo im Juni 1991, die zu einer globalen Abkühlung der Erdoberfläche von
etwa 0,5 Grad Celsius führte.

Am 15. Januar 2022 brach unter Wasser der Vulkan Hunga-Tonga Hunga Ha’apai im Südpazifik aus. Wie sich immer mehr herausstellt war der Ausbruch in vieler Hinsicht außergewöhnlich und spektakulär – vor allem aus atmosphärenphysikalischer Sicht. Zum einen erreichte die initiale Vulkanwolke mit etwa 56 km Höhe die Mesosphäre (die Höhenregion zwischen etwa 50 und 100 km), was in der fast 50 Jahre langen Ära der Satellitenmessungen von Aerosolen bisher noch nie beobachtet wurde (siehe Abb.). Darüber hinaus führte
der Ausbruch zu einem massiven Eintrag von Wasserdampf in die Stratosphäre, d. h. die Schicht zwischen etwa 15 und 50 km Höhe. Der gesamte H2O-Gehalt der Stratosphäre und Mesosphäre zusammen beträgt ungefähr 1 Milliarde Tonnen. Die Hunga-Tonga-Eruption trug an einem einzigen Tag rund 150 Millionen Tonnen Wasserdampf zusätzlich in die Stratosphäre ein. Die räumliche und vertikale Ausbreitung des H2O ist seit dem Ausbruch Gegenstand intensiver Forschung.

Die Eruption stellt ein außergewöhnliches natürliches Experiment dar, das die Untersuchung atmosphärischer Transportprozesse, von Transportbarrieren sowie die Güte von Modellvorhersagen zur Ausbreitung der Wolke ermöglicht. Fast zwei Jahre nach dem Vulkanausbruch befindet sich der vulkanische Wasserdampf aktuell in den betroffenen geographischen Breiten in der oberen Mesosphäre. Es wird erwartet, dass der Wasserdampf aufgrund der vorherrschenden Bedingungen weiter nach oben transportiert wird. Ein weiterer erstaunlicher Aspekt der Hunga-Tonga-Eruption liegt in ihren Auswirkungen auf den atmosphärischen Strahlungshaushalt. Vulkaneruptionen führen üblicherweise zu einer Abkühlung der Erdoberfläche, da die eingetragenen vulkanischen Schwebeteilchen wie Sulfataerosole das Sonnenlicht bereits in der Atmosphäre zurückstreuen. Die Hunga-Tonga-Eruption verursachte hingegen möglicherweise eine Erwärmung der Erdoberfläche. Die zugrundeliegende
Studienlage ist hier noch nicht eindeutig. Grund dafür ist der Wasserdampf, der anders als die vulkanischen Schwebeteilchen, nicht das einfallende Sonnenlicht zurückstreut, sondern die von der Erde kommende Wärmestrahlung in der Atmosphäre zurückhält. In einigen Modellstudien hat dieser Effekt die abkühlende
Wirkung der vergleichsweise geringen vulkanischen Sulfataerosolschicht überkompensiert und damit den Treibhauseffekt verstärkt. Anders als der momentane Ausbruch auf Island ist die Eruption des Hunga-Tonga
aufgrund der großen Höhe der Vulkanwolke und der beobachteten Ausbreitung des vulkanischen H2O bis in
ca. 80 km Höhe ein außergewöhnliches natürliches Experiment, das über viele Jahre hinweg eine einzigartige Überprüfung atmosphärischer Transportmodelle sowie von Klimamodellen ermöglicht.

 


Literatur zum Strahlungseffekt der Hunga-Tonga-Eruption:

1. Sellitto, P., Podglajen, A., Belhadji, R. et al. The unexpected radiative impact of the Hunga Tonga eruption
of 15th January 2022. Commun Earth Environ 3, 288 (2022).
https://doi.org/10.1038/s43247-022-00618-z

2. Schoeberl, M. R., Wang, Y., Ueyama, R., Dessler, A., Taha, G., & Yu, W. (2023). The estimated climate impact
of the Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai eruption plume. Geophysical Research Letters, 50, e2023GL104634.
https://doi.org/10.1029/2023GL104634

3. Niemeier, U., Wallis, S., Timmreck, C., van Pham, T., & von Savigny, C. (2023). How the Hunga Tonga—Hunga Ha‘apai water vapor cloud impacts its transport through the stratosphere: Dynamical and radiative effects. Geophysical Research Letters, 50, e2023GL106482.
https://doi.org/10.1029/2023GL106482

 

Die DPG dankt ihren Autoren Christian von Savigny (Universität Greifswald), Akos Horvath (Universität Hamburg) und Sandra Wallis (Universität Greifswald).