Erwartetes Signal zweier verschmelzender schwarzer Löcher. (Strain ist ein Maß für die Verformung des Interferometers.) (Quelle: B.P. Abbott et al. (LIGO Scientific Collaboration and Virgo Collaboration). „Observation of Gravitational Waves from a Binary Black Hole Merger“. Phys. Rev. Lett. 116: 061102. DOI:10.1103/ PhysRevLett.116.061102.)

Gravitationswellen bewegen die Wissenschaft

Ausgabe 27 | Mai 2016 | „Der direkte Nachweis von Gravitationswellen ist ein großer Erfolg für die Grundlagenforschung und öffnet ein neues Beobachtungsfenster ins Universum. Die Wissenschaft ist gespannt auf die vielen neuen Erkenntnisse, die sich mit einer Gravitationswellen-Astronomie gewinnen lassen.“ - Rolf Heuer, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

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  • Deutsches Know-how trug entscheidend zur Entdeckung der Gravitationswellen bei.
  • Gravitationswellen enthalten Informationen, die klassischen Teleskopen nicht zugänglich sind.
  • Sie sind der erste direkte Nachweis schwarzer Löcher

Genau 100 Jahre nachdem Albert Einstein die allgemeine Relativitätstheorie aufgestellt hat, gelang es Forscherinnen und Forschern erstmals, die von Einstein vorhergesagten Gravitationswellen nachzuweisen [1]. Die Daten zeigen, dass die Gravitationswellen von zwei schwarzen Löchern in einer Entfernung von 1,3 Milliarden Lichtjahren stammten. Sie besaßen jeweils etwa 30 Sonnenmassen und verschmolzen miteinander. Diese bahnbrechende Entdeckung bestätigt erneut Einsteins Theorie – und die Existenz Schwarzer Löcher. Darüber hinaus legt die Entdeckung den Grundstein für einen völlig neuen Zweig der Astronomie: die Gravitationswellenastronomie.

Obwohl die abgestrahlte Leistung während der Verschmelzung die gesamte Leuchtkraft des sichtbaren Universums um das 50-fache überstieg, führten die Gravitationswellen auf der Erde nur zu äußerst winzigen Effekten: zwei vier Kilometer lange, senkrecht zueinander stehende Messstrecken wurden um ein Tausendstel eines Atomkerndurchmessers gestaucht respektive gedehnt (Abb. 1). Derart winzige Abweichungen lassen sich ausschließlich mit hochpräzisen Instrumenten wie den beiden Laser Interferometern Gravitational-Wave Observatory (LIGO) in Hanford und Livingston (USA) messen. Großen Anteil am Erfolg hatten die von deutschen Physikerinnen und Physikern entwickelten Messapparaturen. In LIGO arbeitet ein in Hannover entwickelter Hochleistungslaser. Seine Strahlen durchlaufen luftleer gepumpte Röhren, an deren Enden Spiegel platziert sind (Abb. 2). Eine Längenänderung – beispielsweise wegen durchlaufender Gravitationswellen – verändert auf typische Weise das Muster, das durch Überlagerung der Strahlen entsteht. Um feinste Abweichungen dieser Art zu messen, müssen die Detektoren an den Grenzen des technologisch Machbaren arbeiten.

Hochleistungsrechner und ausgeklügelte Analysestrategien unterscheiden Signale echter Gravitationswellen von Rauschen oder Störsignalen, beispielsweise von vorbeifahrenden Lkw oder seismischer Aktivität. Um die Richtung der Quelle der Gravitationswellen auszumachen, sind mehrere Detektoren notwendig. Vergleiche mit Simulationen (siehe Abb. 3) erlauben ferner Rückschlüsse über die Art der Quelle: kollidierten etwa Neutronensterne oder schwarze Löcher? Auch dafür haben Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik, die mit GEO600 in der Nähe von Hannover selbst ein empfindliches Gravitationswellen-Interferometer betreiben, einen erheblichen Beitrag geleistet. In den kommenden Jahren gehen weitere Nachweisgeräte in Betrieb: in Italien, Japan und Indien. Ferner sind Weltrauminterferometer geplant.

Da die Informationen aus den Gravitationswellen oft komplementär zu denen aus dem elektromagnetischen Spektrum sind, erwarten die Astrophysikerinnen und -physiker bald mehr über unser Universum zu erfahren und Antworten auf viele ungelöste Fragen zu finden.


 

Fußnoten

[1] Observation of Gravitational Waves from a Binary Black Hole Merger; Physical Review Letters 16, 061102 (2016)

 

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft dankt ihrem Autor Prof. Benno Willke vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover.