61. Physikertagung in München 11.-12. März 1997

Kurzbericht der Fachsitzung Abrüstung und Verifikation

Die Fachsitzung 'Abrüstung und Verifikation', die zum dritten Mal zusammen von der DPG und dem Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS) organisiert wurde, hatte neben anderen aktuellen Themen die Überwachung des umfassenden Teststop-Abkommens als Schwerpunkt. Die seismischen Verfahren wurden bereits bei der Frühjahrestagung in Jena 1996 vorgestellt. Prof. P. Wille (Forschungsanstalt der Bundeswehr für Wasserschall und Geophysik/Kiel) widmete sich der unterseeischen Überwachung - während Wolfgang Weiss vom Bundesamt für Strahlenschutz sich mit dem Aufbau eines globalen Meßnetzes, insbesondere aber der Komponente zur Messung von Radioaktivität beschäftigte.

Das sich im Aufbau befindliche globale Meßnetz, das Nuklearexplosionen mit mehr als 1 Kt TNT erkennen und lokalisieren soll, stützt sich neben der Seismik, dem Infraschall auch auf die Hydroakustik und Radioaktivitätsmessungen. Heimliche Tests im Ozean oder auf den Inselsocheln können durch hydroakustische Mikrophone aufgespürt werden. Wasser ist ein globaler Wellenleiter für Frequenzen bis 100 Hz. In 1 km Tiefe befindet sich ein spezieller Schallkanal mit besonderen Ausbreitungseigenschaften, der nur einen Detektor pro Ozean nötig macht. Die Punktsensoren, die zum Einsatz kommen sind sehr robust und meßgenau. Das hydroakustische Meßnetz kommt deshalb mit wenig Stationen aus.

Das von W. Weiss vorgestellte Radioaktivitätsmeßnetz besteht aus ca. 80 Stationen, dient dem Sammeln und Auswerten des luftgetragenen Aerosols und läßt sich zum Erfassen von atmosphärischen Tests einsetzen. 20 Stationen darunter die Meßstation Schauinsland liefern bereits aktuelle Meßdaten. Die Meßdaten werden regelmäßig im World Wide Web veröffentlicht.
Während weltweit 30 Aerosolmeßstationen existieren, sind bisher nur wenig Stationen zur Bestimmung der Aktivitätskonzentration von kurzlebigen Radionukliden (Xenon) in Betrieb. Es ist festzuhalten, daß alle vier Meßnetze sich gegenseitig ergänzen und bei einem weiteren Ausbau Daten zur Überwachung des vollständigen Teststopabkommens liefern werden.

Annette Schaper, Physikerin bei der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), lotete die technischen und politischen Probleme bei der Einführung einer Konvention zur Beendigung der Produktion von militärischem Spaltmaterial aus. Ein Cutoff der Pu/HEU-Produktion würde vor allem Anlagen der Kernwaffenstaaten und von Nichtteilnehmerstaaten des NVV (z.B. Indien/Pakistan) berühren. Im Vortrag wurde ein Überblick über die Abgrenzungsmöglichkeiten von kernwaffenfähigem Material gegeben und die Verifikationsmöglichkeiten und die politische Interessenlage diskutiert.

Dominique Loye, Physiker aus Genf, zeigte durch seine Arbeit beim Internationalen Komitee des Roten Kreuzes, wie wichtig die naturwissenschaftliche Expertise bei der Einführung von "inhumanen Waffen" ist, die dem internationalen Völkerrecht zuwider, besonders grausame Leiden insbesondere bei der Zivilbevölkerung verursachen. Als Beispiel dienen hier die Laserblendwaffen oder spezielle Landminen. Loye sprach sich dafür aus, daß solche Waffen verboten werden, bevor Sie eingeführt worden sind.

Jürgen Altmann berichtete stellvertretend für das Bochumer Verifikationsprojekt von den Resultaten der Experimente von Flugzeugbewegungen (Propeller, Düsenflugzeuge) durch Geofone und Mikrofone. Mittel der vorgestellten Meßanordnung ist eine Detektierung und Klassifizierung möglich; eine automatische Erfassung ist jedoch noch nicht ausgereift.

Hartwig Spitzer von der Hamburger CENSIS-Gruppe stellte ein Verfahren vor, bei dem zwei Bilder der gleichen Szene, aber unterschiedlichem Aufnahmezeitpunkt auf die Änderung des Bildinhalts untersucht werden können, was die Auswertung großer Bildmengen erheblich vereinfacht.

Bhupendra Jasani zeigte anhand von Satelliten-Fotos die Leistungsfähigkeit kommerzieller Beobachtungssatelliten zum Zweck der Aufspürung nichtdeklarierter nuklearer, militärischer Produktionsanlagen.

Martin Kalinowski von der IANUS-Gruppe der TH-Darmstadt stellte ein kernphysikalisches Verfahren zum zerstörungsfreien Nachweis von Li-6 vor, das dem Rohstoff zum Erbrüten von Tritium bildet.

Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) versuchte eine Bestandsaufnahme der Sicherheitsrisiken und Proliferationsgefahren, die aus dem Zerfall der früheren Sowjetunion resultieren.

Im Laufe der Fachsitzung fanden sich ca. 100 Zuschauer ein, die die eintägige Veranstaltung, die von J. Altmann und G. Neuneck organisiert wurde, aufmerksam verfolgten.