19.03.2007

Press Release

der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Regensburg lädt zum physikalischen Gipfeltreffen

Internationaler Physikkongress: mehr als 4.000 Fachleute diskutieren über Nanotechnik, Weltraumforschung, Rüstungskontrolle und Klimaschutz

Regensburg, 19. März 2007 – Mehr als 4.000 Gäste aus dem In- und Ausland erwartet die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) anlässlich ihrer Jahrestagung, die vom 26. bis 30. März 2007 an der Universität Regensburg stattfindet. Mit Fachbeiträgen zur Nanotechnik, Materialforschung und Mikroelektronik präsentiert sich der Schwerpunkt „Festkörperphysik“. Darüber hinaus reicht das Themenspektrum vom Klimaschutz über die Weltraumforschung bis zur Rüstungskontrolle. Angesichts des internationalen Publikums ist die Kongresssprache Englisch. Zum Begleitprogramm in deutscher Sprache gehören ein öffentlicher Abendvortrag über die Klettertricks der Geckos und eine Vortragsreihe für Lehrerinnen und Lehrer. (Bild: Mikrochip, Uni Hamburg)

Hinweis an die Redaktionen:
Die Medien sind herzlich zur Auftaktpressekonferenz eingeladen. Der Termin:

Montag, 26. März, 10:45 Uhr
Universität Regensburg
Verwaltungsgebäude (Uni-Campus)
Senatssaal/Raum 2.25 (1. OG)
Universitätsstraße 31

Außerdem gibt es ein Pressegespräch zum Thema
„Nach dem EU-Beschluss: Neue Technik für den Klimaschutz“. Der Termin:

Mittwoch, 28. März, 13:45 Uhr (gleicher Ort wie die Auftaktpressekonferenz)

 

Das breitgefächerte Tagungsprogramm umfasst mehr als 4.000 Fachbeiträge und über 800 Seiten. Hier einige Einblicke:

Filigran: Getrieben vom Motto „Immer kleiner, immer schneller“ schreitet die Mikroelektronik rasant voran. Da die Möglichkeiten des Siliziums und anderer Chip-Materialien mehr und mehr ausgereizt werden, suchen Forscher inzwischen nach Alternativen. Neben organischen Molekülen gilt einfacher Kohlenstoff – in Gestalt winziger Röhrchen („Nanotubes“) und ultradünner Membranen („Graphene“) – als viel versprechender Baustoff für die Elektronik der Zukunft. Mit diesen Perspektiven befassen sich in Regensburg zahlreiche Fachsitzungen, so auch der Plenarvortrag des US-Amerikaners Steven Louie (University of California, Berkeley) am 26. März. Ein weiteres Tagungsthema ist die „Spintronik“. Diese Weiterentwicklung der klassischen Mikroelektronik setzt darauf, den Eigendrehimpuls der Elektrons („Spin“) zum Rechnen und Speichern nutzbar zu machen. Computerchips und Datenträger mit noch mehr Leistung sind auch hier das Ziel (Symposium am 26. März).

Materiell: Von der Stahlkorrosion in Müllverbrennungsanlagen bis zur künstlichen Spinnenseide reichen die Vorträge, die sich mit der Materialforschung auseinandersetzen. Weitere Beispiele: Der Däne Jens Norskov spricht am 30. März über die Grundlagen der Katalyse und eine Fachsitzung am 26. März geht dem Materialbruch auf den Grund. Anders ausgedrückt, es geht um die Frage: Wie eigentlich entsteht ein Riss?

Verschränkt: „Quantencomputer“ versprechen überragende Rechenleistungen. Bislang jedoch nur auf dem Papier, denn noch basteln Forscher an geeigneter Hardware und an der besten Methode, Informationen zu verarbeiten. Verknüpfte Quanten – im Fachjargon ist von „Verschränkung“ die Rede – spielen dabei eine zentrale Rolle. Um dieses Thema geht es am 29. März in einem eigenen Symposium. Darüber hinaus machen sich die Physiker auch Gedanken über die eigentlichen Bausteine eines Quantencomputers: Tom Reinicke vom Naval Research Laboratory in Washington D.C. berichtet ebenfalls am 29. März über „Quantum Dots“, diese Mikrostrukturen aus Halbleitermaterial könnten eines Tages Quantencomputern als Rechenwerk dienen.

Lebhaft: Jede Virusinfektion, auch jede Befruchtung beginnt mit der Verschmelzung von Zellmembranen. Welche mikroskopischen Vorgänge laufen dabei ab? Wie eigentlich funktionieren die Sinneszellen des Gehörs und wie tauschen Neuronen Signale aus? Mit unterschiedlichsten Fragen der Molekularbiologie und Neurowissenschaften befassen sich die Fachvorträge aus dem Bereich der Biophysik. Andere Tagungsbeiträge nehmen die Natur zum Vorbild technischer Anwendungen. Der US-Amerikaner Antoni Tomsia (Berkeley National Laboratory) beispielweise berichtet über einen porösen Werkstoff, der als Knochenersatz dienen könnte (29. März).

Medizinisch: Die Medizinische Physik und die Strahlenphysik sind in Regensburg ebenfalls vertreten. In diesem Teil des Programms geht es beispielsweise um die „4D-Strahlentherapie“, eine Behandlungsmethode, die neben der Form eines Tumors auch dessen Lageänderung – etwa infolge der Atembewegung – berücksichtigt. Weitere Themen: „Terahertz-Scanning“ zur Hautanalyse und Ultraschalldiagnostik.

Klimatisch: Seit dem jüngsten Klimabericht der Vereinten Nationen (UN) ist die Debatte um die Globale Erwärmung in Bewegung geraten. Vor diesem Hintergrund geht es bei der Tagung (26./27. März) um CO2-freie Energiequellen, um die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels und um die Frage, inwiefern sich Schwankungen von Sonne und Erdbahn auf das Klima auswirken. Zu den Referenten zählt Jean-Claude Schwartz. Der Mitarbeiter der Brüsseler EU-Kommission spricht über die europäische Energiepolitik. Peter Lemke (Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven) und Bill Hare (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) widmen sich indes dem aktuellen Report des UN-Weltklimarates („IPCC-Bericht“).

Außerirdisch: Seit April 2006 kreist eine europäische Raumsonde um unseren Nachbarplaneten Venus. Neben neuesten Ergebnisse dieser „Venus Express“ Mission (Plenarvortrag am 26. März) verspricht das Tagungsprogramm auch Aktuelles von Mars und Saturn. Außerdem geht es um die Sonnenforschung anlässlich des aktuellen „Internationalen Heliophysikalischen Jahres“ und um die Raumsonde „New Horizons“, die 2015 den Pluto erreichen soll. Dieser Himmelskörper galt bis vor wenigen Monaten als äußerster Planet des Sonnensystems. Inzwischen jedoch wurde er aufgrund seiner geringen Größe zum bloßen „Zwergplaneten“ degradiert.

Dynamisch: Eine Wanderdüne hat mit der Internetgemeinde eines gemeinsam: beide sind Massenphänomene mit unzähligen Beteiligten. Seien es Sandkörner oder „Surfer“ am PC. Mit statistischen Methoden – die Grundlagen entstammen der Vielteilchenphysik– rücken Wissenschaftler diesem kollektiven Geschehen zu Leibe. Pilgerströme und Massenpaniken, das Internet-Portal „YouTube“ sowie die Dünen auf Erde und Mars sind einige der „massenhaften“ Themen, die bei der Tagung behandelt werden. Im breiten Programmspektrum findet sich auch der Fußball. Dessen „Kooperativität“ bzw. Teamcharakter hat nämlich eine deutsch-britische Forschergruppe unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler verglichen dazu Männer- mit Frauen-Fußball sowie die DDR-Liga mit der Bundesliga vor Wendezeiten (27. März).

Kulturell: Jenseits von Formeln und Messergebnissen befasst sich der Kongress auch mit der Frauenförderung in der Wissenschaft und anderen gesellschaftspolischen Aspekten. Dafür steht in besonderem Maße der jährliche Max-von-Laue-Vortrag zur gesellschaftlichen Verantwortung der Naturwissenschaft. Diesmal lautet das Thema „Islam and Science” (27. März). Referent ist Pervez Hoodbhoym, Kernphysiker an der Quaid-e-Azam Universität im pakistanischen Islamabad.

Brisant: Die Atomprogramme von Iran und Nordkorea werden in den Fachsitzungen zum Schwerpunkt „Physik und Abrüstung“ (28./29. März) diskutiert. Zudem berichten Experten aus Russland und den USA über Überlegungen der Großmächte, ihre Nuklearwaffen zu modernisieren. Wie gefährlich sind Mikrowellen-Waffen? Welche Konsequenzen für das Klima hätte der Rauch, der bei einem Atomkrieg im Nahen Osten in die Atmosphäre gelangen würde? Auch um diese Fragen geht es.

Namenlos: Hinter einem erfolgreichen Forscher stehen häufig Assistenten und Techniker, ohne die es so manchen wissenschaftlichen Durchbruch nie gegeben hätte. Doch viele dieser „Handlanger“ sind unbekannt. Um deren unerzählte Geschichte geht es in den Tagungsbeiträgen aus dem Bereich der Wissenschaftsgeschichte. Wessen Namen landet auf der Autorenliste? Wer wird schließlich als Urheber wissenschaftlicher Ergebnisse wahrgenommen, mit Preisen bedacht und wer nicht? Diese Fragen werden unter anderem anhand des nobelpreisgekrönten Raster-Tunnel-Mikroskops erörtert sowie am Beispiel der für die Teilchenphysik typischen Teamforschung. Abschließend lässt der US-Amerikaner John Krige (Georgia Institute of Technology) die Physikgeschichte des 20. Jahrhunderts Revue passieren (27. März).

Zitiert: Täglich gibt es neue Forschungsergebnisse. Damit Schritt zu halten, ist für Physiker unabdingbar. Denn wer in der Wissenschaft mitreden möchte, muss stets auf dem Laufenden sein. Doch wie unterscheidet man gute Fachartikel von Massenware? Wie identifiziert man die besten Köpfe, wie wissenschaftliche Spitzenleistungen? Ist die Zahl der Zitationen eines Fachartikels wirklich aussagekräftig? Diesen Fragen widmen sich Philip Ball und der US-Amerikaner Jorge Hirsch (beide Vorträge: 26. März). Während Ball als Kolumnist für das renommierte Wissenschaftsmagazin „Nature“ schreibt, hat der an der kalifornischen Universität von San Diego beheimatete Jorge Hirsch mit dem „h-index“ ein neues Kriterium vorgeschlagen, um wissenschaftliche Leistungen objektiv zu bewerten.

Lehrreich: Wie lassen sich Schülerinnen und Schüler für Physik begeistern, wie die Ausbildung von Lehrkräften verbessern? Diese Fragen beschäftigen nicht nur das PISA-gebeutelte Deutschland. Zu den Referenten in Sachen „Didaktik der Physik“ zählen deshalb auch Bildungsforscher aus den USA, Tschechien, Schweiz und Österreich. Werner Gruber, Wiener Buchautor und erprobter „Fernsehphysiker“, hat sich dabei eines „nahrhaften“ Themas angenommen: „Das gelbe vom Ei“ heißt sein Vortrag am 27. März über die physikalischen Phänomene am Frühstückstisch. Dieses Programm richtet sich nicht nur an Hochschuldidaktiker, es versteht sich auch als Fortbildungsangebot für Lehrer und Lehrerinnen. Speziell für sie gibt es am 30. März und – nach Abschluss des allgemeinen Programms – auch am 31. März weitere Vorträge rund um die Physik in der Schule.

Vielseitig: Physikerinnen und Physiker arbeiten heutzutage nicht nur in ihrem klassischen Einsatzgebiet „Forschung & Entwicklung“, man findet sie auch in der Unternehmensberatung sowie im Patent- und Finanzwesen. Um diese „physikfernen“ Berufsfelder geht es beim diesjährigen „Industrietag“ am 29. März. Was qualifiziert gerade Physik-Absolventen für solche Tätigkeiten? Und wie steht es um die Berufschancen? Um solche Fragen drehen sich Vorträge und eine Podiumsdiskussion mit Wirtschaftsvertretern.

Feierlich: Bei einem Festakt am 28. März verleiht die DPG diverse Auszeichnungen. Die Max-Planck-Medaille für Theoretische Physik geht an den US-Amerikaner Joel L. Lebowitz. Peter Grünberg (Forschungszentrum Jülich) erhält die Stern-Gelach-Medaille. Grünbergs Arbeiten über magnetische Schichtsysteme setzten in den 1990er-Jahren eine Revolution im Bereich der Magnetspeicher in Gang. So beruht die enorme Leistung heutiger Computer-Festplatten maßgeblich auf dem von Grünberg entdeckten Phänomen des „Riesenmagnetowiderstands“. Des Weiteren wird der Münchner Festkörperphysiker Jonathan Finley mit dem Walter-Schottky-Preis geehrt. Festredner sind DPG-Präsident Eberhard Umbach und der Bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel.

Akrobatisch: Geckos sind äußert geschickt, sie huschen flink über glatte Wände und können sogar kopfunter an der Decke hängen. Die Echsen benötigen dafür weder Steigeisen noch Saugnäpfe. Das Geheimnis dieser Kletterkunst liegt vielmehr in der Lauffläche der Geckopfote. Diese ist von unzähligen, mikroskopisch feinen Härchen übersäht, die sich eng an die Unterlage schmiegen. Diverse physikalische Effekte, insbesondere die „Van-der-Waals-Kraft“, sorgen dabei für festen Halt. Am 28. März schildert Eduard Arzt vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung wie sich das Gecko-Prinzip für klebende Materialien nutzen lässt, die perfekt haften und sich trotzdem leicht wieder ablösen. Der öffentliche Vortrag „Adhäsion an Mikro- und Nanostrukturen: von Geckos, Minipilzen und smarten Oberflächen“ beginnt um 20:00 Uhr (Audimax der Universität Regensburg). Der Eintritt ist frei.