Was ist Atommüll?
Ausgabe 6 | Dezember 2009 | „Atommüll ist ohne Zweifel ein brisanter Stoff. Dass damit Ängste verbunden sind, ist völlig verständlich. Doch Emotionen sind in diesem Zusammenhang kein guter Ratgeber. Der Umgang mit Atommüll sollte auf der Grundlage wissenschaftlicher Fakten geschehen, denn sie sind die Voraussetzung für bestmögliche Sicherheitsmaßnahmen.“ - Gerd Litfin, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
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Radioaktive Abfälle – gemeinhin „Atommüll“ genannt – entstehen bei der Stromerzeugung in Kernkraftwerken und bei der Stilllegung kerntechnischer Anlagen. Auch Forschungseinrichtungen, Industrie und Medizin produzieren solche Abfälle, denn radioaktive Substanzen werden beispielsweise in der Materialforschung, der Strahlentherapie und für technische Verfahren verwendet. Dementsprechend ist „Atommüll“ ein Sammelbegriff für unterschiedlichste Stoffe: flüssige Restbestände medizinischer Kontrastmittel (Radiopharmaka) zählen ebenso dazu wie radioaktiv verschmutzte Schutzkleidung, Kabel, Bauschutt und ausgediente Brennelemente aus Kernreaktoren. Hierzulande stammen die Abfälle überwiegend aus Kernkraftwerken und Forschungsanlagen. Nicht nur Abfälle aus dem laufenden Betrieb zählen dazu, sondern auch solche, die bei der Stilllegung kerntechnischer Anlagen – insbesondere aus der Anfangszeit der Kernenergie – angefallen sind. Alle diese Abfälle müssen in geeigneter Weise entsorgt werden. Dies gilt auch für jene aus der Medizin. Sie machen rund 0,5 Prozent des Gesamtvolumens aus.
In Deutschland unterteilt man die Abfälle in „wärmeentwickelnde“ und solche „mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“. Die Unterscheidung hängt mit der geplanten Endlagerung unter Tage zusammen: Während jene „mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“ das umgebende Gestein um höchstens drei Grad Celsius erwärmen, gilt bei „wärmeentwickelnden“ Abfällen ein Temperaturanstieg um bis zu 200 Grad Celsius als zulässig [4, 5]. Derlei Atommüll macht zwar nur etwa 5 bis 10 Prozent des Abfallvolumens aus, er enthält jedoch rund 99 Prozent der Radioaktivität des gesamten Abfalls [1]. Dazu zählen insbesondere ausgediente Brennelemente [2]. Der hierzulande zwischengelagerte Bestand (etwa 6.000 Tonnen) enthält schätzungsweise 60 bis 70 Tonnen giftiges Plutonium [6]. Dieses ist in feinster Verteilung in der Matrix der einzelnen Brennelemente gebunden.
Für Transport und Lagerung wird Atommüll speziell behandelt (konditioniert): Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung werden nach Möglichkeit verbrannt, ansonsten zerteilt oder zusammengepresst. Die Überreste werden – teils eingeschlossen in Zement oder Bitumen – in Stahlbehälter eingelagert. Hochradioaktive Rückstände aus der Wiederaufarbeitung werden verglast und ebenfalls in Stahlbehälter gefüllt. Inzwischen jedoch hat Deutschland die Wiederaufarbeitung eingestellt: Ausgediente Brennelemente sollen daher in Spezialbehältern aufbewahrt werden („direkte Endlagerung“), wenn ihre Strahlung und Wärmeabgabe nach einer gewissen „Abklingzeit“ hinreichend gesunken ist [4, 5].
Quellen/Erläuterungen:
[1] Dezentrale Zwischenlager: Bausteine zur Entsorgung radioaktiver Abfälle, Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) (2008)
[2] Der Bestand an ausgedienten Brennelementen ist bislang nicht als „Abfall“ deklariert. Es handelt sich um ca. 6.000 Tonnen. Volumenangabe nach eigener Berechnung
[3] Mit Ausnahme der Brennelemente handelt es sich um konditionierte Abfälle (Stichtag: 31.12.2007), BfS-Website
[4] Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle in Deutschland, Öko-Institut / Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (2008)
[5] Bericht der Bundesrepublik Deutschland für die dritte Überprüfungskonferenz im Mai 2009: Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2009)
[6] Plutoniumbestand nach eigener Berechnung • Detaillierte Erläuterungen unter: www.physikkonkret.de