Physikunterricht soll sich in drei „Dimensionen“ entfalten: längs der fachlichen Basiskonzepte, längs einer methodischen Dimension sowie längs alltagsnaher und gesellschaftsrelevanter Kontexte. Eingezeichnet ist ein möglicher Lehrpfad mit Unterrichtseinheiten a, b ... i und k.

DPG-Studie zum Physikunterricht: Weniger rechnen, mehr denken!

Ausgabe 28 | Juli 2016 | „Kinder und Jugendliche haben oft Spaß an Naturwissenschaft und Technik. Das gilt es zu fördern und zu erhalten.“ - Rolf Heuer, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

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    Primäres Ziel: Vermittlung physikalischer Allgemeinbildung und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge
  • Beschränkung auf physikalische Kernideen
  • Kontinuierliche Fort und Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer

Die Physik genießt hohes gesellschaftliches Ansehen; sie ist Grundlage für das Verstehen vieler alltäglicher Phänomene sowie für das Beurteilen technischer Entwicklungen. Das Schulfach ist jedoch bei vielen unbeliebt und wird rasch abgewählt: im Abitur wählen nur 11 Prozent der Schülerinnen und Schüler Physik als Prüfungsfach. Die DPG möchte, dass sich das bessert. Sie hat jetzt eine Studie veröffentlicht [1], die auf den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) von 2004 aufbaut und inspiriert ist von den „Next Generation Science Standards“, die derzeit in den USA erprobt werden.

Die Studie begrüßt grundsätzlich die Bildungsstandards der KMK, bemängelt jedoch deren Umsetzung in den Ländern: Viele Lehrpläne sind überfrachtet, bundeseinheitliche Mindestinhalte fehlen. Für die Sekundarstufe I stehen im Mittel nur 240 Schulstunden (180 Zeitstunden) für den Physikunterricht zur Verfügung, doch bestehen große Unterschiede zwischen den Bundesländern: Die Spanne reicht von 167 bis 280 Schulstunden. Die Studie fordert für die fünf Schuljahre der Sekundarstufe I insgesamt zehn Wochenstunden für das Fach. Für die Sekundarstufe II sollte es einen verpflichtenden Grundkurs mit insgesamt vier Wochenstunden geben.

Ziel des Unterrichts muss der Erwerb von Kenntnissen und Kompetenzen zu Kernideen, Methoden und Anwendungsfeldern sein (Abb. 1), die eine sachbezogene und informierte Beteiligung an öffentlichen Debatten über naturwissenschaftliche und technische Themenkomplexe ermöglichen. Zudem soll der Unterricht Basis für eine selbständige Weiterbildung sein. Es ist aber nicht Aufgabe der Schulphysik, speziell auf das Studium des Fachs Physik vorzubereiten. Unter dem Motto „weniger rechnen, mehr denken“ empfiehlt die Studie daher, die Illusion einer vollständigen Vermittlung aller Aspekte der Physik aufzugeben und die Stofffülle zu reduzieren, um beispielhaft in die Tiefe gehen zu können.

Als „rote Fäden“ sollen sich die Basiskonzepte Materie, Kräfte und Wechselwirkungen, Energie sowie Schwingungen und Wellen durch die gesamte Schulzeit ziehen. Die Schülerinnen und Schüler sollen ferner die Methoden der Physik erlernen: das Experimentieren, das Formulieren mathematischer Hypothesen, die Vermittlung von Ergebnissen etc. Das soll entlang schülernaher, gesellschaftsrelevanter Kontexte geschehen. Mädchen, die sich oft früh von der Physik abwenden, sollen verstärkt gefördert werden.

Ferner betont die Studie die enorme Bedeutung fachlich und didaktisch gut ausgebildeter Lehrerinnen und Lehrer sowie die Wichtigkeit ihrer kontinuierlichen Fort und Weiterbildung. Dazu hat die DPG in einer früheren Studie [2] bereits umfassende Empfehlungen gegeben.

Doch gibt eine weitere Untersuchung der DPG [3] Anlass zur Sorge: Knapp die Hälfte aller Physikunterrichtenden ist älter als 50 Jahre (Abb. 2). Der Bedarf an jungen Physiklehrkräften ist bundesweit sehr hoch. Notprogramme sind nach Ansicht der DPG jedoch keine Lösung; nachhaltige Maßnahmen sind nötig.


 

Quellen

Die DPG-Studien sind im Netz herunterladbar unter http://www.studien.dpgphysik.de

[1] Physik in der Schule (2016),

[2] Zur fachlichen und fachdidaktischen Ausbildung für das Lehramt Physik (2014),

[3] Zur Unterrichtsversorgung im Fach Physik und zum Wahlverhalten der Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf das Fach Physik

 

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft dankt ihren Autoren Ingolf Hertel vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie, Siegfried Grossmann von der Universität Marburg und Michael Sinzinger vom Goethe-Gymnasium Regensburg.