14.10.2003

Pressemitteilung

der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Sonnenstrom für Nicaragua

Physik und Entwicklungshilfe:Hamburger Schüler gewinnen FOCUS-Preis

Mit einer gelungenen Kombination von angewandter Physik und Entwicklungshilfe haben Hamburger Jugendliche den "Physik-Sonderpreis" der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) gewonnen: Für das Projekt "Einsatz der Photovoltaik zur Feldbewässerung in Nicaragua" wurde heute (14. Oktober) in Berlin der Physikkurs der Jahrgangsstufe 11 an der Gesamtschule Blankenese ausgezeichnet. Die Schülerinnen und Schüler nahmen die Auszeichnung zum Abschluss des bundesweiten Wettbewerbs "Schule macht Zukunft" entgegen, den die Zeitschrift FOCUS mit Unterstützung von Partnern aus Wissenschaft und Industrie organisiert. Die Sieger in den verschiedenen Disziplinen wurden heute auf einem Festakt in Berlin vorgestellt. In diesem Jahr beteiligten sich über 1.500 Schülerinnen und Schüler an diesem Wettbewerb. Der "Physik-Sonderpreis" besteht aus einer Reise zum Wissenschaftsfestival "Highlights der Physik 2004", das für kommendes Jahr in Stuttgart geplant ist.

Im Mai 2003 reisten zwölf Schülerinnen und Schüler sowie Clemens Krühler, Physik-Fachlehrer an der Gesamtschule Blankenese, nach Nicaragua. Der Physikkurs hatte sich die Aufgabe gesetzt, auf zwei Bauernhöfen nahe der Stadt León Bewässerungspumpen aufzubauen, die per Sonnenstrom betrieben werden. Die Hamburger Gruppe stellte dieses Projekt im Rahmen des FOCUS-Wettbewerbs vor und wurde nun von der DPG ausgezeichnet.

Für die Landwirtschaft in Nicaragua ist die künstliche Bewässerung eine Überlebensfrage. Denn seit Jahren beobachtet man, dass sich die Regenzeit in der mittelamerikanischen Pazifikregion immer weiter verkürzt - in einigen Jahren von sechs auf drei Monate. Andererseits ist Nicaragua von der Sonne verwöhnt. Damit bietet der Standort beste Bedingungen für die Photovoltaik. Diese Art der Energiegewinnung ist vom Stromnetz gänzlich unabhängig. Das Prinzip: Solarzellen aus Silizium wandeln das Sonnenlicht direkt in elektrischen Strom um.

Bei seinem Vorhaben konnte der Physikkurs auf Erfahrungen zurückgreifen, die an der Gesamtschule Blankenese über viele Jahre gesammelt wurden. So betreibt die Schule seit 1996 eine Photovoltaik-Anlage, die rund 2,4 Prozent ihres jährlichen Strombedarfs deckt. Die Anlage wurde seinerzeit von Schülerinnen und Schülern gemeinsam mit Technik-Firmen konzipiert und gebaut. Dieser praxisnahe Unterricht "interessiert Mädchen wie Jungen gleichermaßen", sagt Clemens Krühler, der die Photovoltaik an der Gesamtschule Blankenese betreut.

Ausgehend von der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und dem nicaraguanischen León entwickelte sich in jüngster Zeit eine Kooperation mit dem agrarwissenschaftlichen Institut der ortsansässigen Hochschule. Den Anfang machte im Jahr 2002 der Besuch einer Schülergruppe, die auf dem Gelände der Universität von León eine Testanlage mit solarbetriebenen Wasserpumpen installierte - gemeinsam mit nicaraguanischen Studierenden und Wissenschaftlern. Im Mai 2003 folgte die nun preisgekrönte "Expedition".

Der Physikkurs hatte sich auf diese Reise neun Monate vorbereitet. Auf dem Stundenplan standen Ökologie, Landeskunde und - natürlich - Physik und Energietechnik. Dabei gingen Theorie und Praxis Hand in Hand: Ausgehend von kommerziell erhältlichen Komponenten wurden zwei solargestützte Pumpsysteme entworfen, aufgebaut und getestet. Dabei arbeiteten die Schülerinnen und Schüler eng mit dem Ingenieurunternehmen SET GmbH zusammen. Das Ergebnis: zwei Pumpanlagen in echter Profiqualität.

Schließlich reiste der Physikkurs vom 17. - 30. Mai 2003 nach Nicaragua. Während ihres Aufenthalts konnte die Hamburger Gruppe die Pumpen leider nur unvollständig installieren, da einige Bauteile nicht rechtzeitig vom Zoll freigegeben wurden. Diese Schwierigkeiten wurden mittlerweile gelöst und der Aufbau von den nicaraguanischen Partnern abgeschlossen. Seitdem versorgt eine Solarpumpe Gemüse mit frischem Wasser, die zweite Anlage ist auf einer Bananenplantage in Betrieb.

Auch für das kommende Jahr gibt es schon Pläne. Der nächste Physikkurs soll sich insbesondere mit der Wasserfiltrierung und mit den Druckverhältnissen in Bewässerungsschläuchen befassen.

Das Projekt "Einsatz der Photovoltaik zur Feldbewässerung in Nicaragua", das bereits 2002 mit dem Bau der Testanlage auf dem Campus der Universität León begann, erforderte eine Anschubfinanzierung von rund 15.000 Euro. Wobei dieser Etat ausschließlich Material- und Transportkosten deckte, denn Reise- und Unterbringungskosten wurden durch die Schülerinnen und Schüler privat finanziert. Um das nötige Budget aufzubringen, startete die Gesamtschule Blankenese eine aufwändige Sponsorensuche. Die finanzielle Unterstützung durch verschiedene Stiftungen und Unternehmen sowie private Spenden machten das Projekt schließlich möglich.

Mittlerweile ist aus diesen und ähnlichen Aktivitäten das Schulprogramm EduaRD (Education and Renewable Energy and Development) entstanden. Hierbei handelt es sich um eine Gemeinschaftsaktion der Gesamtschule Blankenese und des Ingenieurunternehmens SET GmbH. Die Initiative verknüpft Schulen in Hamburg und Schleswig-Holstein mit Schulen im Sonnengürtel der Erde unter dem Dach der Solartechnik.

Die Preisträger
Physik-Ergänzungskurs Jahrgangsstufe 11, Schuljahr 2002/03, Gesamtschule Blankenese:
Max Deja, Falco Feindt, Nils Frick, Lena Griebner, Stefanie Klose, Mara Kronenberg, Vincent Pinckernelle, Georg Plechinger, Fabian Roßmeier, Jochen Störmer, Peter Struckmeier, Frederik Welk.
Betreuer: Clemens Krühler

Für das Projekt verantwortlicher Fachlehrer:
Clemens Krühler, Tel.: 040 / 428828-0

FOCUS-Wettbewerb

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V. (DPG), deren Tradition bis in das Jahr 1845 zurückreicht, ist die älteste nationale und mit über 62.000 Mitgliedern auch größte physikalische Fachgesellschaft der Welt. Als gemeinnütziger Verein verfolgt sie keine wirtschaftlichen Interessen. Die DPG fördert mit Tagungen, Veranstaltungen und Publikationen den Wissenstransfer innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft und möchte allen Neugierigen ein Fenster zur Physik öffnen. Besondere Schwerpunkte sind die Förderung des naturwissenschaftlichen Nachwuchses und der Chancengleichheit. Sitz der DPG ist Bad Honnef am Rhein. Hauptstadtrepräsentanz ist das Magnus-Haus Berlin. Website: www.dpg-physik.de