17.03.2003

Press Release

of the German Physical Society

Gipfeltreffen der Physik

Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Hannover

Häufen sich die Wetterkapriolen? Welche Energieszenarien hält die Zukunft parat? Wie groß sind die Risiken des Nuklearterrorismus? Wie spürt man Gravitationswellen auf? Warum gelten "photonische" Kristalle als optisches Hightech? Wann kommt der Quantencomputer? Wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Fragen stehen im Mittelpunkt der "67. Physikertagung", die vom 24. bis 28. März 2003 an der Universität Hannover stattfindet. Zum zentralen Jahrestreffen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) werden rund 1.200 Fachleute aus dem In- und Ausland erwartet. Zu den Teilnehmern zählt Quantenforscher Wolfgang Ketterle, der im Jahre 2001 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Auch politische Prominenz hat sich angekündigt: Auf der Festsitzung am 26. März ist Ministerpräsident Christian Wulff zu Gast.

Die Tagung spannt eine Brücke zwischen Mikrowelt und Makrokosmos: von der Quantenforschung über die Umweltphysik bis hin zur Kosmologie. Auch Atom- und Molekülphysik zählen zu den Schwerpunkten. Das Programm umfasst über 600 Fachvorträge. Dabei geht es nicht nur um Neuestes aus der Wissenschaft, sondern auch um gesellschaftspolitische Themen wie Klimaschutz, Abrüstung und die Situation der Frauen in der Physik.

Bei Erdbewohnern sorgt sie für Bodenhaftung, sie dirigiert unseren Planeten um die Sonne, steuert die Bewegung im Schwarm eines Galaxienhaufens und ist maßgebend für den Aufbau des Universums: die Schwerkraft, in der Physik auch als "Gravitation" bekannt. Die Vorträge aus dem Fachgebiet "Gravitation und Relativitätstheorie" befassen sich unter anderem mit einer Vorhersage Albert Einsteins: den "Gravitationswellen". Insbesondere eine Sternexplosion kann derartige Wellen auslösen. Der kolossale Energieausbruch einer solchen "Supernova" ruft Verzerrungen des Raum-Zeit-Gefüges hervor, die mit Lichtgeschwindigkeit in alle Himmelsrichtungen davoneilen. Soweit die Theorie. Doch gibt es diese Wellen wirklich? Viele Hinweise sprechen dafür, aber noch sind sie der Forschung nicht ins Netz gegangen. Tatsächlich wären ihre Auswirkungen auf der Erde - vielleicht zum Glück - kaum messbar. GEO600, ein Detektor in der Nähe von Hannover, soll die flüchtigen Erscheinungen nun endlich dingfest machen - als Teil eines Verbunds von weltweit drei Messstationen. Mit ersten Ergebnissen ist bald zu rechnen, vielleicht schon in diesem Jahr. Über das Projekt berichtet Karsten Danzmann (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik/Universität Hannover) am 24. März.

Mehrere Tagungsbeiträge sind der Thematik Quanteninformation/Quantencomputer gewidmet. Obwohl es bislang nur rudimentäre Bausteine gibt, versprechen sich Wissenschaftler von Quantencomputern ein wahres Rechenwunder. Der Schlüssel dazu liegt im Prinzip der Informationsverarbeitung: Statt auf klassische Binär-Bits greifen Quantenrechner auf so genannte Quantenbits zurück. Diese "Qubits" speichern nicht nur Nullen und Einsen, sondern auch quantenmechanische Überlagerungen beider Werte. Geschickt ins Spiel gebracht, vollbringen Qubits gigantische Rechenleistungen. Bei der technischen Umsetzung, der Hardware eines Quantencomputers, werden verschiedene Ansätze verfolgt. Mit den Zahlenfressern der heutigen Zeit werden diese Maschinen aller Voraussicht nach wenig gemein haben: So experimentieren einige Forschungsgruppen mit geladenen Atomen (Ionen), eingefangen in Käfigen aus elektromagnetischen Feldern. Andere Wissenschaftler setzen auf "Quantendots" - besondere Nanostrukturen, die sich im Prinzip auf einem Halbleiter-Chip unterbringen lassen. Den Stand der Forschung beschreibt Ignacio Cirac (Max-Planck-Institut für Quantenoptik) am 26. März.

Die "Massenspektrometrie" ist ein Messverfahren, mit dem sich zum Beispiel die Zusammensetzung von Biomolekülen bestimmen lässt. Aber auch in der Weltraumforschung, etwa bei der Untersuchung von Kometen, kommt diese Methode zum Einsatz. Selbst von Substanzspuren liefert die Massenspektrometrie einen präzisen Fingerabdruck. Das weiß auch die Archäologie zu schätzen. Bezeichnend hierfür ist der Vortrag von Wolfgang Kretschmer (Universität Erlangen-Nürnberg) am 24. März mit dem Titel "Das Rätsel der persischen Mumie - Original oder Fälschung?".

Die Quantenoptik ist auf der Tagung unter anderem mit einem Symposium über Photonische Kristalle vertreten (27. März). Diese Werkstoffe manipulieren das Licht auf besondere Weise und bieten damit reichlich Potential für Optoelektronik und Telekommunikationstechnik. Die Struktur eines photonischen Kristalls erinnert in gewisser Hinsicht an die eines Schweizer Käses - mit mikroskopischen Löchern, die sich regelmäßig in alle Raumrichtungen aneinanderreihen. Das Grundgerüst, ein feinmaschiges Gerippe, wird zum Beispiel aus Silizium gefertigt. Die Tagungsbeiträge in Sachen Umweltphysik befassen sich unter anderem mit Wetter- und Atmosphärenforschung. Hierzu passend, berichtet Hartmut Graßl (Universität Hamburg/Max-Planck-Institut für Meteorologie) am 27. März über "Klimawandel und Wetterextreme".

Energiewirtschaft und Klimapolitik zählen zu den Schwerpunkten des DPG-Arbeitskreises "Energie", der in Hannover ebenfalls vertreten ist. Die Vorträge aus diesem Bereich widmen sich unter anderem dem Kyoto-Protokoll und der Wasserstofftechnik. Solarthermische Kraftwerke sind ebenfalls ein Thema. "Wie können wir unseren künftigen Energiebedarf decken?", Antworten auf diese Frage gibt am 25. März ein Plenarvortrag von Klaus Heinloth. Der Bonner Wissenschaftler arbeitete mehrere Jahre im internationalen Ausschuss für Klimafragen IPCC.

Am 27. und am 28. März erörtert der DPG-Arbeitskreis "Physik und Abrüstung" - gemeinsam mit dem "Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit" (FONAS) - Fragen der Rüstungskontrolle. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem Nuklearterrorismus, Nanotechnologie und das von den USA geplante Raketenabwehr-System. Vor Ort sind auch Experten aus dem Ausland: Frank von Hippel (Princeton University, USA) befasst sich mit der Entsorgung von hoch angereichertem Uran und in einem zweiten Vortrag mit dem Atomteststoppvertrag (CTBT). Von Hippel war von 1993 bis 1994 im Weißen Haus beschäftigt. Patricia Lewis, Leiterin des Genfer UN-Instituts für Abrüstungsforschung (UNIDIR), wird über Technologien der Rüstungskontrolle sprechen.

Während einer Festsitzung am 26. März ehrt die DPG sechs Wissenschaftler sowie eine Wissenschaftlerin für ihre herausragende Forschungstätigkeit. Zu den Preisträgern zählen der Garchinger Astrophysiker Reinhard Genzel, Quantenpionier Martin C. Gutzwiller und der britische Teilchenforscher Brian Foster. Außerdem werden insgesamt zehn Schülerinnen und Schüler für ihre Leistung bei internationalen Physik-Wettbewerben ausgezeichnet.

Ein öffentlicher Abendvortrag von Wolfgang Ketterle rundet das Programm ab. Am 26. März stellt der Nobelpreisträger unter dem Titel "Ultrakalte Quantengase" die kälteste Materie des Universums vor. Der Ausflug in die eisige Quantenwelt startet um 20:00 Uhr im Audimax der Universität Hannover ("Welfenschloss"). Es fallen keine Reisekosten an. Und warme Kleidung ist auch nicht vonnöten.

Im Jahre 1995 gelang es Ketterle und zwei weiteren Forschern erstmals ein so genanntes "Bose-Einstein-Kondensat" zu erzeugen - ein Materiezustand, der nur in der Nähe des absoluten Nullpunkts (minus 273,15 Grad Celsius) existiert. Unter diesen Bedingungen regiert die Quantenphysik das Geschehen: Statt wie üblich wild durcheinander zu schwirren, "marschieren" Gasatome plötzlich im Gleichschritt. Dabei tritt die Gemeinschaft als "Materiewelle" in Erscheinung, der genaue Aufenthaltsort eines einzelnen Atoms ist innerhalb der Gaswolke nicht festzustellen. Für diese Pioniertat erhielt Ketterle im Jahre 2001 - gemeinsam mit zwei amerikanischen Kollegen - den Nobelpreis für Physik. Zu den faszinierendsten "Folgeprodukten" des Bose-Einstein-Kondensats gehören so genannte Atomlaser, die nicht Licht sondern "kohärente" Teilchenwellen aussenden. Mit solchen Atomstrahlen könnte es in Zukunft möglich sein, Werkstoffe zu strukturieren und zwar präziser, als es etwa mit Laserlicht möglich ist. Die so genannten "Quantengase", insbesondere das Bose-Einstein-Kondensat, sind ein brandaktuelles Forschungsthema im Grenzgebiet von Atomphysik, Molekülphysik und Quantenoptik. Denn diese superkalten Gase sind ideale Versuchsobjekte, um fundamentale Phänomene der Physik unter die Lupe zu nehmen.

Zum Auftakt der Tagung findet eine Pressekonferenz statt, zu der Journalistinnen und Journalisten herzlich eingeladen sind. Im Rahmen dieser Pressekonferenz wird insbesondere das gemeinsame Internetportal "Welt der Physik" von Bundesministerium für Bildung und Forschung und DPG vorgestellt. Termin und Ort:
Montag, 24. März 2003, 11:00 Uhr
Universität Hannover
Hauptgebäude ("Welfenschloss"), Senatssaal
Welfengarten 1

Hinweise im Internet:
www.dpg-physik.de/presse
www.dpg-tagungen.de

The German Physical Society (Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V.; DPG), which was founded way back in 1845, is the oldest national and, with more than 60,000 members, also the largest physical society in the world. As a non-profit-making organisation it pursues no economic interests. The DPG promotes the transfer of knowledge within the scientific community through conferences, events and publications, and aims to open a window to physics for the curious. Its special focuses are on encouraging junior scientists and promoting equal opportunities. The DPG’s head office is at Bad Honnef am Rhein. Its representative office in the capital is the Magnus-Haus Berlin. Website: www.dpg-physik.de