12.02.2003

Press Release

of the German Physical Society

HINTERGRUND-INFO

DPG-Preise 2003

Metalle und Quantentheorie: Prof. Dr. Martin C. Gutzwiller (77) erhält die Max-Planck-Medaille für seine herausragenden Beiträge zur Quantentheorie der Metalle. Der gebürtige Schweizer arbeitet seit vielen Jahren in den USA. Dort war er unter anderem am IBM Thomas J. Watson Research Center tätig. Seit seiner Emeritierung im Jahre 1993 ist Gutzwiller "Adjunct Professor of Physics" an der Yale University.
Schon als Student schnupperte Martin Gutzwiller Quantenluft: seine Diplom-Arbeit entstand unter Aufsicht des Quantenpioniers Wolfgang Pauli. Ab 1963 veröffentlichte Gutzwiller wegweisende Arbeiten, insbesondere auf dem Gebiet der Festkörperphysik. So beteiligte er sich maßgeblich an der Entwicklung eines Modells, das es erlaubt, die Wechselwirkung zwischen den Elektronen in Metallen zu beschreiben ("Gutzwiller-Näherung"). Anhand dieser mathematischen Formulierung können insbesondere die elektrischen und magnetischen Eigenschaften so genannter Übergangsmetalle - wie Eisen und Nickel - berechnet werden.
Wichtige Beiträge leistete Gutzwiller außerdem zur Theorie des "Quantenchaos". In den betreffenden Situationen unterliegen mikroskopische Teilchen einem konfusen - eben chaotischen - Verhalten. Hier bringt die von Gutzwiller entwickelte "Spurformel" eine gewisse Ordnung ins Geschehen, denn mit ihrer Hilfe lassen sich wichtige Kenngrößen von chaotischen Systemen bestimmen. Dabei verbindet sie klassische Physik und Quantentheorie in ähnlicher Weise, wie dies beim Bohr'schen Atommodell der Fall ist. Die "Gutzwiller'sche Spurformel" kommt insbesondere in der Festkörperforschung sowie in der Atom- und in der Molekülphysik zum Einsatz.

 

Im Herzen der Milchstraße: Mit der Stern-Gerlach-Medaille für experimentelle Physik wird Prof. Dr. Reinhard Genzel (50) vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik (Garching) ausgezeichnet. Genzel ist ein Pionier der Infrarot-Astronomie. Seine Beiträge zur "adaptiven Optik" und zur Entwicklung empfindlicher Infrarot-Instrumente haben neue Einblicke in das Zentrum der Milchstraße möglich gemacht.
Sitzt im Herzen unserer Galaxie - 30.000 Lichtjahre von der Erde entfernt - ein Schwarzes Loch? Diese Frage beschäftigt die Astronomie seit nunmehr zwanzig Jahren. Viele Wissenschaftler vermuten sogar, dass Schwarze Löcher im Mittelpunkt jeder Galaxie lauern. Im Fall der Milchstraße - unserer Heimatgalaxie - verdichten sich die Hinweise. Neueste Indizien sammelte Genzels Arbeitsgruppe letztes Jahr mit Hilfe des Riesenteleskops VLT in der chilenischen Atacama-Wüste. Möglich wurden diese Beobachtungen erst dank technischer Entwicklungen, für die Reinhard Genzel im Laufe vieler Jahre die Weichen stellte. Entscheidend war zum einen der Einsatz einer empfindlichen Infrarot-Kamera für das vom Teleskop eingefangene Sternenlicht. Außerdem bedienten sich die Garchinger Astronomen der "adaptiven Optik". Diese Korrekturtechnik wirkt der natürlichen Unruhe der Erdatmosphäre entgegen. Das Ergebnis: flimmerfreie und gestochen scharfe Aufnahmen.
Derart ausgerüstet, gelang es Genzels Team tief im Inneren der Milchstraße einen Stern zu beobachten, der sich sehr verdächtig verhält. Im Sog gewaltiger Gravitation kreist er um das galaktische Zentrum. Klar ist: Die Quelle dieser Schwerkraft liegt genau im galaktischen Zentrum. Und aufgrund der Bahndaten des Sterns bestehen kaum noch Zweifel: Die Quelle ist ein Schwarzes Loch.
Weil das vermeintliche "Schwerkraftmonster" auf den aktuellen Bildern nicht direkt in Erscheinung tritt, vermuten die Forscher, dass es zurzeit nur sehr wenig Materie verschlingt. Diese würde nämlich hell aufleuchten, bevor sie im Schwarzen Loch verschwindet. Von einem solchen Strahlungsausbruch ist jedoch nichts zu sehen. Das Schwarze Loch scheint also "Diät" zu halten und damit ist es vor dem dunklen Hintergrund des Alls praktisch unsichtbar.

 

Licht und Materie: Den Gustav-Hertz-Preis für herausragende Nachwuchswissenschaftlerinnen beziehungsweise Nachwuchswissenschaftler erhält Privatdozent Dr. Christoph Keitel (37) von der Universität Freiburg. Der theoretische Physiker hat untersucht, wie sich intensive Laserstrahlung auf Materie auswirkt und ein Prinzip zur Erzeugung von energiereicher ("harter") Röntgenstrahlung vorgestellt.
Im Zentrum jedes Atoms ruht ein positiv geladener Kern, rundherum bewegen sich Elektronen. Weil die negativ geladene Elektronenwolke die Kernladung exakt ausgleicht, ist ein Atom insgesamt neutral. Nach Verlust eines oder mehrerer Elektronen, bleibt ein positives "Ion" zurück. Wie reagiert ein solches Ion auf starkes Laserlicht? Diese Frage stellte sich Christoph Keitel und zog dabei sowohl Quantenphysik als auch Relativitätstheorie zu Rate. Ein Fazit seiner Arbeit: Durch Laserlicht angeregt, können Ionen Röntgenstrahlung aussenden, die nicht nur sehr energiereich ist, sondern zudem über eine besondere optische Qualität - genannt Kohärenz - verfügt. Keitels Forschungsergebnisse geben Einblick in das Zusammenspiel zwischen Materie und energiereichem Licht ("nichtlineare Optik"). Interessant sind sie ferner im Hinblick auf die Entwicklung neuartiger Laser und für die Materialforschung.

 

Kosmische Generationen: Mit dem Hertha-Sponer-Preis für herausragende Naturwissenschaftlerinnen wird Privatdozentin Dr. Uta Fritze - von Alvensleben (47) ausgezeichnet. Die theoretische Astrophysikerin arbeitet an der Universitäts-Sternwarte Göttingen. Die Auszeichnung erhält sie für ihre Studien über die Entwicklung von Galaxien.
Die Milchstraße - unsere Heimatgalaxie - ist ein Klub mit vielen Abteilungen und für alle Alterklassen. Junge Sterne tummeln sich etwa im "Orion-Nebel", einer kosmischen Wolke aus Gas und Staub. Hier setzte die Sternentstehung erst vor wenigen hunderttausend Jahren ein. Dagegen haben sich im Pulk der "Kugelsternhaufen" Methusalems versammelt, die auf zwölf Milliarden Jahre zurückblicken. Unsere Sonne wiederum ist ein Stern mittleren Alters: Geboren vor rund fünf Milliarden Jahren, wird sie wohl noch ähnlich so lange weiterstrahlen. Für manche "Lichtgestalten" ist das Ende heftig: Sie lösen sich in gewaltigen Explosionen auf. Das ins All geschleuderte Material wird zu neuen Sternen recycelt.
Welche Veränderungen treten von einer Sternengeneration zur nächsten auf? Wie entwickelt sich über Jahrmilliarden die "Bevölkerungsstruktur" einer Galaxie? Seit dem Urknall vor rund 15 Milliarden Jahre hat das Universum nicht nur unzählige Galaxien, sondern auch Galaxien unterschiedlicher Gestalt und Größe hervorgebracht. Wie erklärt sich diese Vielfalt? Der Blick in den Kosmos - etwa mit Hilfe des Weltraum-Teleskops "Hubble" - zeigt wiederkehrende Muster: Hinweise auf einen gemeinsamen Stammbaum? Sind manche Galaxientypen miteinander verwandt? Solchen Fragen geht Fritze - von Alvensleben mit Hilfe von Computer-Modellen nach, die die Lebensgeschichte einer Galaxie im Zeitraffer nachbilden. Eine gewaltige Rechenaufgabe. So umfasst eine Sternengemeinschaft wie die Milchstraße rund 100 Milliarden Mitglieder.

 

Magnetische Beziehung: Den Walter-Schottky-Preis erhält der Experimentalphysiker Dr. Jurgen H. Smet (35) für seine Beiträge zur Festkörperphysik. Smet hat Quanteneffekte in Halbleitermaterialien untersucht, die starken Magnetfeldern und sehr tiefen Temperaturen ausgesetzt sind. Dabei interessierte er sich insbesondere für die Partnerschaften zwischen Elektronen und Magnetfeldern, die unter dem Stichwort "Verbundfermionen" bekannt sind. Smet, gebürtiger Belgier, studierte an der Universität Leuven. Seine Doktor-Arbeit schrieb er am US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology. Seit 1994 ist er Gruppenleiter am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung.
Es erfordert schon etwas experimentelles Geschick, doch unter geeigneten Bedingungen lassen sich die Elektronen eines Festkörpers zu einer Art "Formationstanz" motivieren. Das ist der Fall beim "fraktionalen Quanten-Hall-Effekt". Allerdings stellt dieser "Formationstanz" strenge Anforderungen an die Etikette: Zunächst gilt es, das "Parkett" bereitzustellen. Hierzu wird die Bewegung der Elektronen auf eine Ebene eingeschränkt. Solche Verhältnisse sind insbesondere innerhalb von mikroelektronischen Bauteilen gegeben, die aus fein geschichteten Halbleitern gestrickt sind. Weitere Voraussetzung sind: Temperaturen dicht am absoluten Nullpunkt (minus 273,15 Grad Celsius) sowie ein starkes Magnetfeld. Unter diesen Bedingungen stimmen die Elektronen - prosaisch ausgedrückt - ihre Bewegungen aufeinander ab. Und dabei spielt das Magnetfeld eine zentrale Rolle, denn zu jedem Elektron gesellen sich "Flussquanten", kleinstmögliche Portionen des magnetischen Flusses, hinzu. Im Fachjargon hat sich dafür die Bezeichnung "composite Fermions" - etwa "Verbundfermionen" - etabliert. Es ist dieses Zusammenspiel von Elektronen und Magnetfeld, das Jurgen Smet im Detail untersuchte. Zum einen konnte er eine Vermutung der Theoretiker im Experiment bestätigen: Die komplexen "Verbundfermionen" verhalten sich tatsächlich wie Einzelteilchen. In der Physik ist von "Quasiteilchen" die Rede. Seine Einsichten in diese magnetische Beziehung nutze Smet für weitere Experimente. Dabei gelang es ihm erstmals, die Wechselwirkung zwischen Elektronen-Spins - den magnetischen Momenten der Elektronen - und den magnetischen Momenten der Atome eines Halbleiters elektrisch zu messen und zu steuern.
Website: www.mpi-stuttgart.mpg.de

 

Moleküle à la carte: Der Robert-Wichard-Pohl-Preis geht an Prof. Dr. Klaas Bergmann (60), Experimentalphysiker an der Universität Kaiserslautern, für seine Arbeiten im Grenzgebiet von Atomphysik, Molekülphysik und Quantenoptik. Bergmann studierte in Freiburg and Innsbruck, später arbeitete er in Berkeley an der University of California sowie in Boulder an der University of Colorado. Seit 1981 ist er Professor an der Universität Kaiserslautern.
Küchenchefs wissen: Wesentlich für ein schmackhaftes Gericht sind beste Ingredienzien und die gekonnte Zubereitung. In der Physik ist es nicht anders: Ein gelungenes Experiment verlangt viel Vorbereitung und auch hier müssen die "Zutaten" stimmen. Wenn man mit Atomen oder Molekülen hantiert, ist insbesondere die Kontrolle der Quantenzustände wichtig. Anders ausgedrückt: Wie lässt sich die Besetzung von elektronischen Niveaus oder Schwingungszuständen gezielt beeinflussen? Vor rund zehn Jahren entwickelte Bergmann ein Verfahren, das genau dies leistet und heute in vielen Labors zum Standardrepertoire gehört. Die Methode ist unter dem Kürzel "STIRAP" bekannt. Sie basiert auf der geschickten Kombination zweier kurz aufeinander folgender Laserpulse, die auf die zu untersuchenden Atome oder Moleküle einwirken. Mit diesem "Laserkick" lassen sich zum Beispiel Moleküle in bestimmte Schwingungen versetzen.
Bergmann nutzte die STIRAP-Methode unter anderem, um chemische Reaktionen zwischen Atomen und Molekülen zu studieren. In jüngster Zeit hat er sich insbesondere mit "kohärenten" Überlagerungszuständen bei Atomen befasst. Diese Quantenzustände lassen sich ebenfalls mit Hilfe der STIRAP-Methode erzeugen. Das Besondere hier: Die Atome verharren nicht in einem einzigen Zustand, vielmehr befinden sie sich gleichzeitig in mehreren Zuständen. Dieses eigentümliche Phänomen der Quantenphysik spielt bei allen Überlegungen rund um das Thema "Quantencomputer" eine zentrale Rolle.
Website: www.physik.uni-kl.de

 

"Extremes" UV-Licht: Den Georg-Simon-Ohm-Preis erhält Christian Peth (26) für den Aufbau und die Charakterisierung einer Quelle für "extrem" ultraviolette Strahlung ("weiche" Röntgenstrahlung). Der Diplom-Ingenieur mit Fachrichtung Feinwerktechnik ist am Laser-Laboratorium Göttingen e.V. tätig.
Seit über dreißig Jahren regiert in der digitalen Welt das "Moore'sche Gesetz": Die Zahl der Transistoren pro Chip verdoppelt sich etwa alle 18 Monate. Konsequenz: Computer werden immer schneller. Allerdings: Ständig weitere Schaltkreise hinzuzuquetschen, stellt die Ingenieure vor große Herausforderungen. Bei der Chipproduktion wird heutzutage der Rohling - zumeist eine Scheibe aus dem Halbleiter Silizium - per UV-Licht strukturiert. Je kleiner die Wellenlänge des Lichts, desto feinere Strukturen lassen sich herstellen. Weltweit wird deshalb an Lichtquellen gearbeitet, die sehr kurzwellige UV-Strahlung aussenden. Hier spricht man von "extremer" UV-Strahlung oder auch von "weicher" Röntgenstrahlung im Wellenlängenbereich um 13 Nanometern. Den Prototyp einer derartigen Strahlungsquelle konstruierte Christian Peth. Herzstück der Apparatur ist eine Vakuum-Kammer, in die stoßweise Gas einströmt. Die Gaswolke wird von einem Laser derart aufgeheizt, dass kurzfristig ein so genanntes Plasma entsteht. Dieses Gemisch aus geladenen Gasteilchen und Elektronen leuchtet im extremen, für das Auge gleichwohl unsichtbaren UV-Bereich. Um die Systemparameter zu optimieren, entwickelte Peth ein neuartiges Messgerät, das inzwischen kommerziell vertrieben wird.

 

Kleinste Teilchen: Prof. Dr. Brian Foster (49) erhält den Max-Born-Preis für seine wichtigen Beiträge zur Teilchenphysik. Diese Auszeichnung verleiht die DPG gemeinsam mit dem britischen Institute of Physics. Der Experimentalphysiker, beheimatet an der University of Bristol, arbeitet seit vielen Jahren am Teilchenlabor DESY bei Hamburg. Foster ist Mitglied zahlreicher Expertengremien, dazu gehört der Evaluationsausschuss des deutschen Wissenschaftsrates.
Zum Inventar jedes Atomkerns zählt das Proton. Dieses Teilchen ist ein filigranes Gebilde: In seinem Inneren schwirren winzige "Quarks" umher, die durch "Gluonen" - dem Klebstoff der Kernmaterie - aneinandergekettet werden. Fosters Arbeit bei DESY hat maßgeblich zur Erforschung dieses Gefüges beigetragen. Der britische Wissenschaftler war außerdem am Aufbau des "BaBar-Experiments" im kalifornischen Stanford beteiligt. Mit "BaBar" versucht ein internationales Forscherteam einem feinen, aber fundamentalen Unterschied zwischen Materie und Antimaterie auf die Schliche zu kommen: Der "CP-Verletzung". In der Entwicklung des Universums spielte dieses Phänomen möglicherweise eine entscheidende Rolle.

 

Weiche Materie: Der Gentner-Kastler-Preis, den die DPG gemeinsam mit der Société Française de Physique verleiht, geht an Prof. Dr. Hartmut Löwen (39) von der Universität Düsseldorf. Der theoretische Physiker erforscht das Verhalten von "weicher Materie" und befasst sich dabei ganz allgemein mit Substanzen im Zustand zwischen fest und flüssig. Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in der Kolloid- und der Biophysik. Mit Kollegen aus Frankreich verbindet Löwen eine langjährige Kooperation. Was haben Blut und Hautcreme gemeinsam? Diese Substanzen gehören zu den so genannten Kolloiden. Hier sind unzählige Partikel in einem einbettenden Medium fein verteilt: Im flüssigen Blutplasma treiben winzige Zellen umher, bei der Hautcreme vermischen sich Fetttröpfchen und wässrige Bestandteile zu einer pflegenden Emulsion. Die betreffenden Teilchen - ob Blutzelle oder Fettbläschen - sind rund ein tausendstel Millimeter groß. Dies ist für Kolloide typisch.
Viele Prozesse, die sich in Kolloiden abspielen, haben Modellcharakter. Die hier gewonnenen Erkenntnisse helfen dabei, grundlegende Phänomene wie Gefrieren oder Kristallwachstum zu verstehen. Aber auch die technischen Anwendungen sind vielfältig. Durch feine Abstimmung der Komponenten lassen sich nämlich "intelligente" Materialien herstellen. Flüssigkeiten, deren Zähigkeit sich - quasi auf Knopfdruck - per Magnetfeld steuern lässt, sind ein Beispiel dafür. Mögliches Einsatzgebiet: Stoßdämpfer. Bei einem aktuellen Forschungsprojekt arbeitet Hartmut Löwen eng mit der Erdöl-Industrie zusammen. Entwicklungsziel ist ein "sich selbst steuerndes" Schmiermittel, das beim Anbohren von Öllagerstätten zum Einsatz kommt.

 

Der "chaotische" Fingerabdruck: Der Marian Smoluchowski - Emil Warburg - Physikpreis geht an Prof. Dr. Fritz Haake (61), theoretischer Physiker an der Universität Essen. Diese Auszeichnung verleiht die DPG gemeinsam mit der Polnischen Physikalischen Gesellschaft. Haake, der seit vielen Jahren mit polnischen Kollegen kooperiert, ist Experte für "Quantenchaos". Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehört auch die Quantenoptik, auf diesem Gebiet hat er sich insbesondere mit der Lasertheorie befasst.
Chaotisch - wer diese Bezeichnung im Alltag fallen lässt, möchte sicher keine Komplimente verteilen. "Chaoten" sind kopflos, mitunter zerstörerisch. Bei heillosem Durcheinander ist schnell von einer "chaotischen Situation" die Rede. Physikern geht das Wort "Chaos" nicht ganz so leicht über die Lippen. Damit ein physikalisches System als "chaotisch" gilt, müssen strenge Kriterien erfüllt sein. Selbst das Chaos hat seine Regeln.
Aus Sicht der klassischen Mechanik sind chaotische Systeme Sensibelchen. Selbst winzige Störungen können das betreffende System aus dem Takt bringen ("Schmetterlingseffekt"). Ein solches Verhalten zeigen Luft- und Wasserturbulenzen und auch das Billardspiel, bei dem sich ein anfänglicher Richtungsfehler mit jedem Kugelstoß vergrößert. Wenn geringste Einflüsse immer weiter verstärkt werden, dann ist es prinzipiell zwar möglich, vorherzusagen, wie sich ein System entwickeln wird. In der Praxis ist eine Vorhersage jedoch unmöglich: Das System ist chaotisch. Dennoch agiert es keineswegs willkürlich, weshalb man im Fachjargon von "deterministischem" Chaos spricht. Und auch im Reich der Quantenphysik - auf der Skala der Atome und Elementarteilchen - folgt das Chaos bestimmten Richtlinien. Dies hat Konsequenzen: Chaotische Systeme verschiedenster Art - ob Wasserstoff-Atom im starken Magnetfeld oder schwerer Atomkern - zeigen eine gewisse Verwandtschaft.
Die Parallelen sind nicht auf Teilchenwelt beschränkt, sie reichen bis in die klassische Physik hinein. Wegen der Analogie von Quantenchaos und "Wellenchaos" gibt es überall dort Anknüpfungspunkte, wo Schwingungen oder Wellen von Bedeutung sind. So betrachtet, kann ein vibrierender Quarzblock - in jeder modernen Uhr als Taktgeber vertreten - mit einem Atomkern einiges gemeinsam haben. Fritz Haake ist solchen Gemeinsamkeiten, die für chaotische Systeme typisch sind, auf der Spur. Denn diese "Fingerabdrücke" des Chaos helfen dabei, so manchem physikalischen Rätsel auf den Grund zu gehen.
Website: www.theo-phys.uni-essen.de

 

Teamleistung: Den DPG-Schülerpreis erhalten Matthias Görner (Eggolsheim), Alexander Köhler (Brandenburg), Manuel Krebs (Zeulenroda), Matthias Merkel (Friedrichshain) sowie David Schwandt (Frankfurt/Oder), Medaillengewinner bei der 33. Internationalen Physikolympiade in Indonesien. Betreut wurde die Mannschaft von Privatdozent Dr. Klaus Mie (Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften, Kiel).

 

Ebenfalls ausgezeichnet werden Bernd Kaifler (Ulm-Gögglingen), Rolf Kappl (Ostfildern), Patrick Kuppinger (Maulburg), Natalie Müller (Istein) und Benjamin Obert (Herbertingen-Maibach). Diese Schülergruppe belegte Platz 3 beim 15. International Young Physicists' Tournament, das im Frühjahr 2002 in der Ukraine stattfand. Das deutsche Team unter der Leitung der Studiendirektoren Bernd Kretschmer und Rudolf Lehn hatte im Vorfeld am "Schülerforschungszentrum" in Bad Salgau bei Ulm trainiert.
Website: www.sfz-bw.de

The German Physical Society (Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V.; DPG), which was founded way back in 1845, is the oldest national and, with about 62,000 members, also the largest physical society in the world. As a non-profit-making organisation it pursues no economic interests. The DPG promotes the transfer of knowledge within the scientific community through conferences, events and publications, and aims to open a window to physics for the curious. Its special focuses are on encouraging junior scientists and promoting equal opportunities. The DPG’s head office is at Bad Honnef am Rhein. Its representative office in the capital is the Magnus-Haus Berlin. Website: www.dpg-physik.de