19.03.2001

Pressemitteilung

der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Das Universum: eine Standardversion?

Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Bonn

Eine Brücke zwischen Mikrowelt und Makrokosmos führt vom 26. bis 29. März durch die Universität Bonn. Auf einer Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) treffen sich rund 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um über neueste Erkenntnisse aus der Teilchenforschung, der Mathematischen Physik und der Kosmologie zu diskutieren. Unter den Teilnehmern sind namhafte Besucher aus England und den USA. Das Konferenzprogramm deckt unterschiedlichste Themen ab, die von der Entwicklung neuer Teilchenbeschleuniger bis zu den Eigenarten schwarzer Löcher und der String-Theorie reichen. Im Blickpunkt außerdem: Die Grenzen des "Standardmodells", gängige Beschreibung der elementaren Naturkräfte und Teilchen. Ein öffentlicher Abendvortrag am 28. März blickt zurück auf die Frühzeit des Universums und fasst einige der bizarrsten Bewohner der Teilchenwelt ins Auge: Quarks und Gluonen.

Die Tagung beginnt mit einem Vortrag über die Jagd nach dem "Higgs-Teilchen" - gemäß dem Standardmodell ein eifriger Lieferant, der alle Komponenten der Materie (darunter Elektronen und Quarks) mit Masse versorgt. Es ist der wichtigste Mosaikstein, der im Bild der Teilchenphysik noch fehlt. Die Suche im Genfer Forschungslabor CERN verlief bislang ohne eindeutiges Ergebnis. Ob "Higgs" existiert und die Voraussagen der Theorie zutreffen, bleibt offen. Zwar hat das Standardmodell schon viele Tests bestanden; weil es jedoch mitunter unklare Prognosen liefert, vermutet man, dass es nicht der "Weisheit letzter Schluss" ist. Ansätze für weitergehende Naturmodelle, darunter die String-Theorie, gibt es zuhauf. Derweil werden weltweit die Grenzen des Standardmodells ausgelotet. Auch hierüber wird auf der Tagung berichtet.
Wäre nach dem Urknall gleich viel Materie wie Antimaterie übriggeblieben, dann hätten sich Teilchen und ihre Antiteilchen zu purer Energie vernichtet. Dass sich das Universum überhaupt entwickelte, könnte auf einer kleinen Unstimmigkeit zwischen Materie und Antimaterie beruhen. Dieses Phänomen, genannt CP-Verletzung, gehört zu den Schwerpunkten der Teilchenforschung. In Bonn ist dem Thema ein eigener Plenarvortrag gewidmet. Präsentiert werden aktuelle Ergebnisse aus Japan und den USA. Am kalifonischen BABAR-Experiment arbeiten auch Forschungsgruppen aus Deutschland mit.
Der öffentlicher Abendvortrag am Mittwoch, 28. März, dringt ebenfalls in kleinste Dimensionen vor. Unter dem Titel "Quarks und Gluonen - farbige Bausteine des Universums" beschreibt Siegfried Bethke, vom Münchner Max Planck-Institut für Physik, das "Sozialverhalten" zweier Teilchengruppen, die stets im Verbund mit ihresgleichen auftreten. Quarks und Gluonen tummeln sich etwa im Innern der Kernbausteine und setzen sozusagen nie einen "Fuß vor die Tür". Kurz nach dem Urknall war dies anders, mit Teilchenbeschleunigern lassen sich diese Bedingungen vorübergehend nachbilden. Der Vortrag beginnt um 20:00 Uhr in der Aula der Universität Bonn (Hauptgebäude). Der Eintritt ist frei.

Weitere Beiträge befassen sich mit Test der Relativitätstheorie, Galaxien, deren Schwerefeld das Licht ablenkt ("Gravitationslinsen") oder der Beschreibung der Schwerkraft auf mikroskopischer Skala ("Quantengravitation"). Ein Plenarvortrag und eine besondere Fachsitzung sind der Kosmologie gewidmet - der Evolution des Universums von seiner stürmischen Geburt bis heute. Ein Thema hier: die so genannte kosmische Hintergrundstrahlung, sie ist eine wesentliche Stütze der Urknalltheorie. Dieses äußerst schwache Strahlungsfeld erfüllt das gesamte Weltall und gilt als Echo des Urknalls. Aus dem Tonmuster des Nachhalls lassen sich Rückschlüsse ziehen auf die Kindheit des Kosmos vor rund 15 Milliarden Jahren.

Über die Verknüpfung von Quantenchaos und der Theorie der Primzahlen wird ein Gast aus Großbritannien berichten. Seit jüngster Zeit gibt es Hinweise, die Physik könne sich als Schlüssel zur "Riemann'schen Vermutung" entpuppen. Für den Beweis dieses großen Rätsels der Mathematik ist seit kurzem ein Preisgeld von einer Million Dollar ausgesetzt.

Während der Tagung findet ein Pressegespräch statt, zu dem Journalisten herzlich eingeladen sind. Der Termin ist am
Montag, 26. März, um 11:00 Uhr an der
Universität Bonn
Hauptgebäude, Dozentenzimmer (1. Etage)
Am Hof 3
53113 Bonn

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft e. V. (DPG), deren Tradition bis in das Jahr 1845 zurückreicht, ist die älteste nationale und mit rund 55.000 Mitgliedern auch mitgliederstärkste physikalische Fachgesellschaft der Welt. Als gemeinnütziger Verein verfolgt sie keine wirtschaftlichen Interessen. Die DPG fördert mit Tagungen, Veranstaltungen und Publikationen den Wissenstransfer innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft und möchte allen Neugierigen ein Fenster zur Physik öffnen. Besondere Schwerpunkte sind die Förderung des naturwissenschaftlichen Nachwuchses und der Chancengleichheit. Sitz der DPG ist Bad Honnef am Rhein. Hauptstadtrepräsentanz ist das Magnus-Haus Berlin. Website: www.dpg-physik.de