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Open Source von Büchern bis zu Forschungsdaten

Benjamin Wolba beschäftigt sich damit, Wissen und Informationen zugänglicher zu machen, egal ob in Büchern, Vorlesungsmaterialien oder bei Forschungsdaten. Dabei ist er in der Startup-Szene aktiv und promoviert gleichzeitig.

Unternehmen gründen und Bücher veröffentlichen: Welche Idee kam eigentlich zuerst?

Zuerst kam die Idee, ein Unternehmen zu gründen. Die Motivation kam vor allem durch meinen Auslandsaufenthalt in Australien während meiner Masterarbeit in Sydney. Dort bin ich auch in Coworking und Maker Spaces gegangen und habe gesehen, wie andere ihre Ideen verwirklichen. Zurück in Deutschland habe ich die aktive Startup-Szene für mich entdeckt und gemerkt, dass jedes Mal, wenn ich vor einem ungelösten Problem stehe, das eigentlich eine Chance ist, was mit diesem Problem zu machen. Für mich ist das ein Ansatzpunkt dafür, um ein Unternehmen zu gründen und damit die Probleme der Kunden zu lösen.

Und das Publizieren war dafür eine gute Möglichkeit?

Zum Publizieren bin ich dadurch gekommen, dass ich schon zwei Bücher geschrieben habe. Beim ersten Buch über Bildung aus Sicht eines Schülers war das in Form von Self-Publishing. Das zweite Buch über mein Frühstudium habe ich dann im Eigenverlag veröffentlicht. Ich hatte für das Buch Daten der Deutsche Telekom-Stiftung aus einer Umfrage benutzt. Die waren ursprünglich schon frei zugänglich und das wollte ich beibehalten. Deshalb war es mir wichtig, das Buch nicht unter ein Copyright zu stellen. Bei Self-Publishing-Verlagen tritt man aber immer Rechte ab und kann das Buch beispielsweise nicht überall frei einstellen. Da andere Verlage sich bei einem unbekannten Autor nicht zurückmelden, habe ich deshalb beschlossen, meinen eigenen Verlag, Visual Ink Publishing, zu gründen, um mein Buch zu veröffentlichen.

Ist dein Verlag auf Interesse gestoßen?

Ja, gerade in akademischen Kreisen hat das ein paar Leute interessiert. Wir haben ein paar Dutzend Bücher verkauft. Dann kam im Frühjahr 2020 Corona und das Thema Begabtenförderung war erstmal von der Tagesordnung verschwunden. Aber nach fünf Monaten Pause hatte ich über Twitter Tim Kantereit kennengelernt, das ist ein sehr engagierter Lehrer aus Bremen. Er hatte einen Book Sprint organisiert zu digitalen Tools für Hybrid-Unterricht – wie ich Präsenzphasen mit digitalen Phasen kombinieren kann.

Ich fand das Projekt von ihm unglaublich cool und wollte ihn dabei unterstützen. Zusammen haben wir dann das erste Buch Deutschlands zum Thema Hybrid-Unterricht verlegt: Hybrid-Unterricht 101. Damit ist aus meinem Selbstverlag ein richtiger Verlag geworden. Wir verlegen alle Bücher komplett Open Source und finanzieren uns über die gedruckten Exemplare und Affiliate Marketing. Aus diesem einen Buch Hybrid-Unterricht sind dann weitere Folgeprojekte und Crowdfunding-Aktionen entstanden. Langfristig wollen wir dann eine eigene digitale Buchplattform aufbauen und grundsätzlich andere Formate entwickeln, wie man mit Informationen umgehen kann.

Wie würde so eine Plattform aussehen?

Naja, hier in Karlsruhe habe ich beispielsweise seit letzem Winter an einem Startup-Projekt dazu gearbeitet. Wir nehmen Vorlesungsskripte und bereiten diese als digitale Plattform auf. Es geht also nicht um eine Plattform für Vorlesungsskripte, sondern das Medium selbst soll zum Diskussionsforum werden. So kann man einerseits ganz spezifische Fragen stellen und andererseits zusammen mit anderen lernen und sich austauschen. Das haben wir an einem Kurs Theoretische Optik im Sommersemester getestet. Ausgehend von dem ursprünglichen Skript haben wir weiteres Material verknüpft. Langfristig sollen so personalisierte Lernpfade für die Studierenden entstehen. Auch ein Chatbot, der auf Fragen mit spezifischen Quellen antworten kann, wäre denkbar.

In der jDPG hast du auch im A-Team Promotion mitgearbeitet. Was sollte man denn bedenken, wenn man sich überlegt, ob man eine Promotion machen will oder nicht?

Eine wichtige Komponente ist, sich das Umfeld und die gesamte Arbeitsgruppe anzuschauen. Mit meinem Betreuer hatte ich unglaubliches Glück und bin extrem zufrieden. Aber die Betreuungsumgebung ist wichtiger als das konkrete Thema der Arbeit. In jedes Thema kann sich einarbeiten und verlieben. Andererseits hat man mit der Arbeitsgruppe täglich Kontakt, die sieht man auf Konferenzen und da ist es wichtig, dass man mit diesen Leuten klarkommt und sich gut versteht. Dafür sollte man sich wirklich vorher Zeit nehmen, um die Gruppe kennenzulernen. Man kann beispielsweise vorher mal hingehen und einen wissenschaftlichen Vortrag halten oder Probearbeiten. Außerdem ist es wichtig, in welchem Gebäude man sitzt und wie die technische Ausstattung ist.

Bei der Auswahl der Arbeitsgruppe hat man einen Einfluss auf viele dieser Punkte und sollte sich das genau anschauen. Man verpflichtet sich in der Promotion über einen längeren Zeitraum einem Thema und einer Tätigkeit. Das braucht immer sehr viel Zeit und Kraft. Da sollten alle anderen Faktoren auch stimmen. Möglichst viel Motivation und Vorerfahrung helfen natürlich auch. Im ersten halben Jahr schwimmt man erstmal und muss sich einarbeiten. Nach einer Zeit lernt man das dann und kann seine eigenen Tools bauen, selber Code schreiben und das Thema in den Griff bekommen. Sobald man die ersten Resultate hat, beginnt es auch wirklich schön zu werden. Dafür promoviert man ja letztendlich. Wenn die Puzzelstücke zusammenpassen, dann ergibt sich auch ein schönes Bild. Bei mir war das beispielsweise die Vorhersage einer bestimmten antiferromagnetischen Phase oder die Erklärung bestimmter Features im Magnonen-Spektrum von Skyrmionen-Kristallen.

Man sollte zu Beginn der Promotion auch wirklich das Ziel haben, in dem entsprechenden Thema Experte zu werden. Am Anfang wird man an die Hand genommen, aber mit der Zeit verlassen sich die Leute dann auch immer stärker auf einen. Perspektivisch sollte man der Ansprechpartner für das eigene Thema werden. Irgendwann fragt einen dann nämlich der Professor: “Wie war das nochmal mit der Konstante?” oder “Wie macht man das nochmal mit der Schraube?” Das ist auch die Basis, um danach dann den Postdoc zu machen, nochmal in ein anderes Gebiet einzutauchen und am Ende einen Überblick und Expertise in einem großen Forschungsfeld zu haben.

Du hast das A-Team NFDI (Nationale Forschungsdatenbank Infrastruktur) in der jDPG gegründet. Welche Chancen siehst du im NFDI-Prozess?

Bei NFDI sehe ich vor allem die Chance, deutschlandweit einen gemeinsamen Standard zu schaffen, wie wir mit wissenschaftlichen Forschungsdaten umgehen, diese speichern und Metadaten für Forschungsdaten festlegen. In dem ganzen Prozess wird erstmal Bewusstsein dafür geschaffen, wie unterschiedlich der Stand in den einzelnen Teilbereichen der Physik ist. FAIRMAT beispielsweise betreibt seit vielen Jahren eine eigene Dateninfrastruktur zu Neuen Materialien und kann dort auf Vorerfahrungen zurückgreifen.

Dadurch ist NFDI nicht nur auf institutioneller und technologischer Ebene ein Organisationsprozess, sondern gerade auch ein mentaler Organisationsprozess. Wir müssen das Bewusstsein dafür schaffen, wie wir die technologischen Möglichkeiten für die Zukunft nutzen wollen, um Forschungsdaten wiederzuverwenden und Wissenschaft transparenter zu machen. Als A-Team NFDI wollen wir dazu einen Beitrag leisten. Verglichen mit anderen Forschungsdisziplinen ist das eine tolle Gelegenheit, dass wir als junge Physiker direkt einbezogen werden.

 

Interview: Hannes Vogel