Wie arbeiten Physiker:innen heute – und wie wollen wir morgen arbeiten?
jDPG-Berufstag „New Work – Alternative Unternehmens- & Arbeitskonzepte jenseits von 9 to 5“ am 26. April 2025
Am Institut für Physik der MLU Halle-Wittenberg empfingen Moritz Vanselow und Annegret Rößler uns Teilnehmende zu einer Veranstaltung, die den Nebel um das Leben nach dem Studium lichten sollte. Orientierung durch Einblicke in die Arbeitswelt, unmittelbar aus den Erfahrungen unserer Vorgänger:innen und Vorbilder. Ist das gelungen? Um es vorwegzunehmen: Ja, und zwar wie folgt:
Im Zentrum des Berufstages stand eine moderierte Gesprächsrunde, in der fünf geladene Gäste jeweils ihre Perspektiven zu den Fragen der Moderation teilten und zueinander in Beziehung setzten. Wir gewannen Einblicke in die persönlichen Entscheidungsprozesse auf den Karrierewegen für unterschiedliche Unternehmensgrößen, Teilzeit- und Homeofficemodelle. So besteht Wissenschaftler Karsten Bock auf einer 35-Stunden-Woche, um sein Kind von der Kita abzuholen.

Überrascht hat der hohe Anteil an Homeoffice, der in vielen Unternehmen inzwischen gelebte Praxis ist: Oft seien bis zu 80% verhandelbar. Laut Jens Schneider (R&D bei einem Halbleiterunternehmen) ist das mit guter Planung auch bei Labortätigkeit möglich. IT-Berater Thomas Rölle freute sich, für seine 100% remote Stelle nicht umziehen zu müssen. Für die Work-Life-Balance ergaben sich aus dem Homeoffice sowohl Vor- als auch Nachteile: Neben der besseren Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf und dem Vertrauen, das ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden gegenüber damit ausdrückt, wurden auch Herausforderungen thematisiert. Diese sind zum Beispiel der persönliche Austausch mit Kolleg:innen; die Eigenverantwortung, sich selbst zu organisieren und abzugrenzen; der Umstand, im Büro keinen eigenen Arbeitsplatz zu haben; sowie gesetzliche Regulierungen. Letztere seien wohlüberlegter Arbeitnehmerschutz und sollten ernst genommen werden, betonte die selbständige Optikdesignerin Angelika Hofmann. Tatsächlich kristallisierte sich ein bittersüßes Zusammenspiel von Autonomie und Selbstausbeutung heraus, von dem beinahe alle Referierenden berichteten.
Ein wiederkehrendes Thema war die Bedeutung von Netzwerken. Alle waren sich einig, dass persönliche Kontakte zentral für die berufliche Entwicklung seien. Man sieht sich immer zweimal im Leben. Diese Erkenntnis setzten wir direkt in die Tat um: In den Pausen und beim gemeinsamen Essen entwickelten sich intensive Diskussionen, aus denen neue Kontakte entstanden. 
Flexibilität, so lernten wir, ist sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite zunehmend vorhanden, weshalb das Erkennen und Kommunizieren der eigenen Grenzen immer wichtiger wird. Wir wissen nun, wofür ein Betriebsrat gut ist. Hofmann warnte zurecht davor, Achtsamkeit als Über- oder Unterbewertung des Egos misszuverstehen. Stattdessen gehe es um die Balance der verschiedenen Interessen, die Offenheit und Klarheit erfordert. Zum Thema Konflikte sprach IT-Manager Carsten Bittrich den ermutigendsten Satz dieses Tages aus: „Eine Frage, die nicht gestellt wird, ist immer mit ‚Nein‘ beantwortet.“ Der Satz blieb hängen. Die drängendste Frage auf der Zunge zogen wir in die Welt – aber waren wir auf das ‚Nein‘ vorbereitet? Sollten wir noch einen Kurs in Gesprächstaktik belegen? Vielleicht. Vor allem aber: Weitersuchen. Nach den Berichten dieser Menschen hier muss es möglich sein, wenngleich sich das eine oder andere Nebenbedürfnis ducken muss.
von Luisa Borngräber