Interview mit Dr. Christine M. Papadakis
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Fakultät für Physik und Geowissenschaften, Universität Leipzig, Deutschland |
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Columbia University New York, USA. http://www.ldeo.columbia.edu/~lippmann/ |
Johanna(1):
Christine, Du hast bis heute in drei europäischen
Ländern Auslandserfahrungen gesammelt. Heute bist Du an der Uni in
Leipzig angestellt, um Dich zu habilitieren. Deine erste Auslandsstation
war Frankreich, genauer: Grenoble. Was hat Dich zu diesem ersten Schritt
bewogen und wie hast Du damals den Kontakt hergestellt?
Christine(1):
Ich wollte schon als Schülerin einmal
ein Jahr ins Ausland und habe schon in meinem ersten Studienjahr Informationen
über ein Studienjahr im Ausland und die Finanzierungsmöglichkeiten
eingeholt. Ich sah ein Auslandsjahr als zusätzliche Qualifikation
an - wir waren sehr viele im Semester, d.h. ich meinte, man müsse
eine zusätzliche Qualifikation erwerben, um am Arbeitsmarkt später
eine Chance zu haben. Nach Frankreich wollte ich, weil mir Französisch
in der Schule viel Spaß gemacht hatte. Ich wollte außerdem
an eine gute Uni, und da gibt es in Frankreich ja große Unterschiede.
Allerdings wollte ich nicht nach Paris, da ich nicht nur mit anderen deutschen
Studenten zusammen sein wollte (z.B. im Heinrich-Heine-Wohnheim für
Deutsche wohnen). Meine Mutter hat dann eine Fernsehsendung über Grenoble
gesehen und die vielen Forschungsinstitute, die es dort gibt. Ich habe
also an die Uni Grenoble geschrieben und Unterlagen über das Studium
angefordert. Ich bin auch hingefahren, um mit dem Studiendekan zu sprechen,
und da er mich sehr ermutigt hat - genauso wie die Professoren an meiner
Heimatuni (Mainz), habe ich mich beim DAAD um ein Individualstipendium
beworben, die Einschreibung an der Uni Grenoble eingeleitet, einen Sprachtest
gemacht und mir ein Zimmer in einem Wohnheim besorgt. Als ich alles unter
Dach und Fach hatte, hat die Fakultät für Physik an der Uni Mainz
ein Erasmusprogramm mit Marseille angeboten - in diesem Rahmen wird ja
alles organisiert (Finanzierung, Einschreibung, Wohnheimplatz etc.)! Trotzdem
war ich froh und ein bißchen stolz, alles selbst auf die Beine gestellt
zu haben. Ich habe in Mainz noch (etwas verfrüht) das Fortgeschrittenenpraktikum
und andere Pflichtvorlesungen in Mainz absolviert, um nach meiner Rückkehr
keine Scheine mehr machen zu müssen. In Grenoble habe ich 89/90 mein
viertes Studienjahr absolviert, und es hat viel Spaß gemacht, war
aber auch schwierig.
[Soweit für's erste. Mensch, ist das alles lange her... schöne Zeiten waren es... Viele Grüße und schönes Wochenende! Christine ]
Johanna(2):
Du sagst, es war eine schöne Zeit
in Frankreich. Wie bist Du denn dort von Deinen französischen MitstudentInnen
aufgenommen worden? Kannst Du ich an noch eine besondere Begebenheit in
Grenoble erinnern, die Du auf keinen Fall missen möchtest?
Christine(2):
[entschuldige, daß ich erst so spät
antworte, aber hier ging es rund!]
Von den französischen Mitstudenten
bin ich freundlich aufgenommen worden, obwohl wir 17 Deutsche im Studienjahr
waren von ca. 70 Studenten! Wir haben viel miteinander unternommen. Die
Franzosen fanden es beachtlich, daß wir Deutschen so gut Französisch
sprachen und uns für ihre Kultur interessierten. Und durch das verschulte
Studium waren wir ja den ganzen Tag (8-18 h!) zusammen.
An eine besondere Begebenheit erinnere
ich mich nicht, aber was ich nicht missen möchte, ist das zweimonatige
Praktikum in einem Forschungslabor, das von der Uni arrangiert wurde. Ich
war in einem Labor im CNRS und bearbeitete ein kleines Projekt. Es war
sehr interessant, schon vor der Diplomarbeit zu erleben, wie in der Forschung
gearbeitet wird.
[Soviel für heute (muß noch ein Poster machen und später zur DPG-Tagung düsen...). ]
Johanna(3):
[Liebe Christine, gerade tagt die DPG
in Dresden, dann kann ich Dir während Deiner Abwesenheit, sozusagen
aus dem "Hinterhalt", eine neue Frage stellen. "Hinterhalt" ist deswegen
praktisch für mich, weil ich dann damit rechnen kann, das Du nicht
sofort antwortest und ich nicht auf alle heute neu gestellten Fragen morgen
schon wieder Antworten (= neue Arbeit für mich) habe....]
Nach diesem Jahr in Frankreich hast Du zunächst in Mainz Deine Diplomarbeit geschrieben. Im Anschluß an Dein Diplom bist Du für vier Jahre nach Dänemark an die Roskilde Universität gegangen. Gab es da vielleicht eine Kooperation zwischen deiner Mainzer Arbeitsgruppe und der in Dänemark?
Christine(3):
[von wegen Hinterhalt - ich bin hier in
Leipzig, gerade von zwei Tagungen zurück - und werde Deine Frage gleich
beantworten] Nein, aber in meiner Gruppe war eine Postdoc-Stipendiatin,
Dorthe, die aus Dänemark kam. Wir teilten uns während meiner
Diplomarbeit das Büro und freundeten uns an. Von Frankreich her wußte
ich ja, wie es ist, in einem fremden Land zu leben und nahm sie z.B. ins
Theater mit oder lud sie ein. Ich wollte dann eigentlich in Grenoble promovieren,
und zwar an dem Institut, wo ich das Praktikum gemacht hatte. Mein damaliger
Freund wollte aber nicht nach Frankreich, und so bot Dorthe mir eine Promotionsstelle
an ihrer Uni in Roskilde an. Sie wollte nach ihrer Postdoczeit dort ein
Labor aufbauen und brauchte deshalb einen Doktoranden. An dem Institut
wurde auch eine Promotionsstelle ausgeschrieben, die ich dann auch bekam.
[That's all by now - laß Dir ruhig
Zeit mit der nächsten Frage!]
Johanna(4):
Das nenne ich Flexibilität! Gerade
hattest Du doch französisch so gut gelernt/vertieft, daß Du
es Dir zugetraut hast, in französisch zu promovieren und dann gehst
Du - möglicherweise ohne Dänischkenntnisse - nach Dänemark.
Hat es Dich vielleicht auch besonders beflügelt, daß Du dort
als Doktorandin von Dorthe so willkommen warst? Wie wichtig, denkst Du,
sind solcherlei persönliche Kontakte oder gar Freundschaften?
Christine(4): Nein, Dänisch konnte ich nicht, und ich wußte auch nichts über Dänemark... ich bin das recht unbekümmert angegangen, ich war ja auch erst 25. Ja, ich wollte gern mit Dorthe zusammenarbeiten, da die Diskussionen, die ich während der Diplomarbeit mit ihr hatte, eine Bereicherung gewesen waren. Mit dem Doktoranden, der mich während der Diplomarbeit betreut hatte, konnte ich fast überhaupt nicht reden, er hielt mich für dumm und umständlich, glaube ich. Deshalb wollte ich sicher sein, in der Doktorarbeit eine(n) gute(n) Betreuer(in) zu haben, da das Arbeitsklima, Anerkennung und Unterstützung wichtig für mich waren. Ich meine, daß solche persönlichen Kontakte sehr wichtig sind, das erlebe ich immer wieder. Gerade, wenn man eine Stelle sucht, kann eine Empfehlung Gold wert sein. Auch bei einem wissenschaftlichen Kooperationsprojekt ist es ja sehr wichtig, gut miteinander auszukommen, Vertrauen haben zu können und sich aufeinander verlassen zu können.
Johanna(5):
Ich nehme an, dich haben die guten Erwartungen
an die Arbeitsgruppe in Dänemark nicht enttäuscht, denn letztendlich
bist Du vier Jahre in Dänemark geblieben!
Christine(5):
Nein, ich fand es interessant, andere
Arbeitsweisen und andere Strukturen zu erleben. Ich war ja auch an einer
Reformuniversität, das machte es doppelt exotisch. Meine Doktorarbeit
dauerte vier Jahre, und danach war ich noch zwei Jahre lang Postdoc an
einem Forschungszentrum in Roskilde.
Johanna(6):
An der Roskilde Universität warst
Du Doktorandin, am Risø National Laboratory warst Du als Postdoc
angestellt; das entnehme ich Deinem Lebenslauf (http://paf.exphysik.uni-leipzig.de/~papadakis/).
Sind das benachbarte/kooperierende Institutionen oder wie muß ich
mir das vorstellen? War es ein kompletter Umzug in eine andere dänische
Stadt mit einer entsprechenden Bewerbung um eine Stelle?
Christine(6):
Nein, ich hatte schon während der
Doktorarbeit viel in Risø zu tun. Ich war dort dann bei einem der
Gutachter meiner Doktorarbeit, der eine Stelle frei hatte. Die Uni Roskilde
und Risø sind beide in Roskilde, und es gab schon Kooperationen
und ein gemeinsames Seminar in meinem Gebiet.
Johanna(7):
In dieser Zeit in Dänemark warst
Du sechs Monate in Schweden. Währenddessen wurdest du von der Dänischen
Forschungsgesellschaft finanziert. Heißt das, es gab gute Kontakte
zwischen dem Risø National Laboratory und der Uppsala Universität?
Oder wie sonst kam es zu diesem nördlichen Schlenker?
Christine(7):
Ein Doktorand vom Chemie-Institut der
Uni Roskilde, den ich gut kannte, war ein halbes Jahr an der Uni Uppsala
gewesen und hatte mir von seinem Aufenthalt und seinen Experimenten erzählt.
Ich bin dann in dasselbe Labor gegangen. In Dänemark ist es üblich,
fast notwendig, daß Doktoranden für einige Monate an ein anderes
Institut gehen.
Johanna(8):
Heute bist Du Angestellte an der Uni in
Leipzig, Fakultät für Physik und Geowissenschaften, und
habilitierst dich. War es schon immer Dein Wunsch, wieder nach Deutschland
zurückzukommen oder wärest Du auch beinahe "unterwegs", hängengeblieben?
Christine(8):
Ich wäre entweder in Dänemark
geblieben oder nach Deutschland zurückgekehrt. Auf Aufenthalte in
weiteren, mir fremden Länder hatte ich keine Lust mehr. Und ich wollte
die Habilitation so schnell wie möglich angehen. Also bewarb ich mich
in Dänemark und an deutschen Unis.
Johanna(9):
Mit Deiner hochgradigen fachlichen Qualifikation,
ist es durchaus anzunehmen, daß Du nach Deiner Habil - einem Ruf
auf eine Professur folgend - erneut umziehen mußt. Aber auch sonst,
wie kann ein Wissenschaftlerin - nach fünf Umzügen innerhalb
von Europa in 9 Jahren, ihre sozialen Kontakte aufrechterhalten bzw. eine
Partnerschaft leben, oder gar Kinder und eine Familie haben? Oder sollte
sie das alles "erledigen", bevor sie an Partnerschaft und Familie denkt?
Oder geht es nur, wenn sie darauf - zumindest auf letzteres - verzichtet?
Oder geht es nur in Einzelfällen? (dann wird es beim ExotInnenstatus
von Professorinnen bleiben) Oder nur mit viel Glück? Oder mit vielen
Entbehrungen? Oder nur mit vielen Eingeständnissen, Kompromissen?
Oder nur dann, wenn sich eine gute, passende Gelegenheit an die Nächste
reiht? Kann das "normal" sein im Sinne von "Berufserfahrungsvoraussetzung"?
Christine(9):
Ich weiß nicht, was normal ist oder
was jemand tun sollte. Ich kann nur sagen, daß ich an den verschiedenen
Orten, wo ich war, wunderbare Menschen kennengelernt habe und viel darüber
gelernt habe, wie Menschen in verschiedenen Ländern leben und miteinander
umgehen. Das empfinde ich als ganz großes Privileg meines Berufs!
Ich versuche, den Kontakt zu den so gewonnenen Freunden zu halten und sie
zu besuchen, wenn ich auf Dienstreise oder im Urlaub bin, was natürlich
etwas anderes ist, als wenn alle meine Freunde in derselben Stadt wohnen
würden. Ich möchte doch auch sagen, daß es schwierig ist,
allein in eine Stadt zu kommen, in der man nur ein paar Kollegen kennt.
Es dauert, bis man heimisch ist und Leute außerhalb der Uni kennenlernt.
Wiederum fühle ich mich privilegiert gegenüber Leuten, die z.B.
in kleinen Betrieben arbeiten: An der Uni habe ich eine große 'Kontaktfläche'
von den Studenten bis zu den Professoren, und der Umgang ist locker.
Was Partnerschaft und Familie angeht: Ich bin mit meinem damaligen Freund nach Dänemark gegangen, und er hat (dank meiner Doktormutter) auch eine Promotionsstelle dort gefunden. Nach einigen Jahren haben wir uns getrennt, so daß ich frei wählen konnte, wo ich zur Habilitation hingehe. Das war in diesem Moment ein großer Vorteil. An den nächsten Wechsel denke ich jetzt noch gar nicht, das läßt sich sowieso nicht planen, da mein jetziger Freund bei einer großen Firma ist, wo auch immer die Versetzung in eine andere Stadt droht. Es ist meiner Meinung nach kein Uni-spezifisches Problem, daß man nicht das ganze Leben am selben Ort bleiben kann.
Johanna:
Vielen Dank für dieses Gespräch,
Christine! Vielleicht begegnen wir uns ja mal im richtigen Leben, das würde
mich sehr freuen! Alles Gute weiterhin!