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Manuela Welzel
Universität Bremen
Abstract
Neben den Vorlesungen haben Studenten und Studentinnen im Bereich der naturwissenschaftlichen Ausbildung Übungsaufgaben zu bearbeiten und Praktika zu absolvieren. Hierfür stehen den Lernenden Übungsgruppenleiter und Praktikumsbetreuer zur Seite, die in der Regel selbst fortgeschrittenen Studierende oder Dokto-rand(inn)en der Naturwissenschaften sind. Sie haben in der Regel eine solide fachliche Ausbildung. Die notwendige Lehrkompetenz erstreckt sich jedoch auch - und dies nicht unbeträchtlich - auf didaktische und soziale (kommunikative, interaktive) Fähigkeiten der Lehrenden. In unseren Schulungen beobachten wir immer wieder, daß insbesondere Naturwissenschaftler(innen) gerade in diesem Bereich unsicher sind. Fragt man sie, welche ihrer Kompetenzen durch eine Schulung verbessert werden sollen, formulieren sie etwa die folgenden Fragen:
• Wie kann man Studierende motivieren und aktivieren?
• Wie kann man Übungen und Praktika interessant gestalten?
• Welche Ziele werden mit Übungen und Praktika verfolgt?
• Wie gehe ich mit sprachlichen Problemen ausländischer Studierender um?
• Wie verhalte ich mich in schwierigen Situationen richtig?
• Welche Techniken der Gesprächsführung sind möglich?
• Wie kann ich mein persönliches Auftreten verbessern?
• Was tun, wenn Probleme auftreten?
Diese Fragen spiegeln die Rolle des Praktikumsbetreuers wider:
1. Die Betreuer im Praktikum sollen als kompetente Partner die Studierenden beim Lernen im Physikpraktikum anleiten und unterstützen. Dazu brauchen sie fachliche und didaktische Kompetenzen.
2. Fachliche Kompetenzen werden ergänzt (verbessert), indem jede/r Betreuer/in die zu betreuenden Versuche auch selbst bis ins Detail kennt, das heißt: Er/sie muß sie selbst vollständig durchgemessen haben und Probleme und Hintergründe des Versuches kennen.
3. Die didaktische Zielstellung, die mit einem Versuch verfolgt werden soll, muß für jeden Versuch festgelegt werden (Schwerpunkte setzen). Dies sollte immer in Absprache mit einem gesamten Praktikumsteam bzw. Kurs und den Studierenden geschehen.
4. Jede/r Praktikumsbetreuer/in soll Möglichkeiten kennen, die Studierenden zu motivieren und zu aktivieren ohne den Studierenden den Versuch “aus der Hand zu nehmen”. Nur durch die eigene Tätigkeit im Praktikum und die Auseinandersetzung mit physikalischen Phänomenen, können die Studenten auch die Physik lernen.
5. Es sollte nicht die Aufgabe der Betreuer sein, die physikalischen Grundlagen des Versuches zu präsentieren. Vielmehr müssen die Versuche so angelegt sein, daß die Studenten die zur Bewältigung der Versuche notwendigen physikalischen Grundlagen selbst entwickeln bzw. “aktiv” aus Texten erschließen können. Ihnen muß die Notwendigkeit dazu selbst klar werden. Oft wird nämlich gefragt: “Wozu brauche ich das?” Manchmal ist die Frage auch berechtigt, weil das Praktikumsskript bzw. der/die Betreuer/in keine Antwortmöglichkeiten bietet.
6. Die Betreuer sollten beachten, daß sie es im Anfänger-Praktikum auch mit Anfängern zu tun haben. Die Studierenden müssen in der Regel erst lernen, Versuche zu planen, durchzuführen, zu protokollieren und auszuwerten. Das braucht Zeit und sollte nach und nach entwickelt werden. Hier sind Absprachen, die von Zeit zu Zeit mit allen am Lehrprozeß beteiligten Personen durchgeführt werden sollten, zu empfehlen. Damit kann Entwicklung geplant und begleitet werden.
7. Die Betreuer müssen Verhaltensregeln im Praktikum auch vorleben. Pünktlichkeit, Höflichkeit, Freundlichkeit, Gerechtigkeit, Aufmerksamkeit, Exaktheit... beruhen auf Gegenseitigkeit.
8. Im Praktikum sollte es nicht zu formal zugehen. Ich denke, das Praktikum ist kein Ort für Prüfungen, sondern für praktisches Arbeiten (experimentieren). Praktikum darf auch Spaß machen. Sind Praktikumsversuche lernfördernd, merken dies die Studenten selbst und bereiten sich dementsprechend vor, sind aktiv und motiviert. Je fortgeschrittener die Studierenden sind, desto mehr Freiräume für eigene Ideen brauchen und nutzen sie.
Praktikumsbetreuer sollten die Möglichkeit bekommen, sich didaktisch und sozialkommunikativ für ihre Aufgabe zu qualifizieren. Dafür sollten in naturwissenschaftlichen Fachbereichen Kurse mit den folgenden Themen angeboten werden:
1. Blockschulung (2 Tage)
• Einführung in die teilnehmerorientierte Didaktik Inhalte, Strukturen physikalischer Lehrveranstaltungen Hauptfaktoren von Praktikum/Übung Ablauf, Aufbau, Planung von Lehrveranstaltungen an konkretem Material Motivation von Studierenden
• Rolle der Übungs- und Praktikumsleiter Stärken/Schwächen-Profile Umgang mit schwierigen Lehrsituationen Gesprächsführung Feedbackmethoden
2. Semesterbegleitende Gruppen-Supervision Diskussion individueller Lehrerfahrungen (z.T. anhand von Videoaufzeichnungen) Vorstellen erprobter und "neuer" Lehrmethoden Evaluation von Schulung und Lehre
(Zusammenarbeit mit der Fachdidaktik bzw. Hochschuldidaktik der Pädagogischen Psychologie auch überregional möglich)