Michael Kobel

"Mich bewegt das Miteinander von Menschen die ihre Vielfalt als Stärke nutzen, um Ziele gemeinsam zu erschaffen und zu verfolgen. Was in großen internationalen Kollaborationen der Teilchenphysik funktioniert, könnte als Modell dienen, um die Herausforderungen von Globalisierung und Migration zu bewältigen."

Prof. Dr. Michael Kobel (DPG-Mitglied seit 1994) lehrt und forscht seit 2006 als Professor für Teilchenphysik an der Technischen Universität Dresden. Vor elf Jahren gründete Kobel das bundesweite Netzwerk Teilchenwelt, das Jugendliche für die Grundlagen der Teilchenphysik begeistert. Jährlich nehmen mehr als 5000 Jugendliche an den Teilchenphysik-Masterclasses teil, bei denen sie Originaldaten vom CERN auswerten. Etwa 100 Jugendliche erhalten zudem die Möglichkeit, das CERN zu besuchen. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen vom Netzwerk Teilchenwelt inspiriert Michael Kobel eine ganze Generation. Außerdem engagiert er sich für die Integration von Geflüchteten und bekräftigt die enge Verbindung von Wissenschaft und Völkerverständigung.

 

 

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Welches ist der schönste Konferenz-Ort, den Sie kennen?

Prägend für mich war als junger Doktorand das „SLAC Summer Institute 1986“, eine internationale Doktorandenschule am „Stanford Linear Accelerator Center“, die mich nicht nur das erste Mal außerhalb von Europa an den Ursprung des „Crystal Ball“ Detektors brachte, mit dem ich die Daten meiner Diplomarbeit gewonnen hatte, sondern die den Grundstein dafür legte, dass ich immer wieder gern ans SLAC reiste, zuletzt 2010 als Dresdner Gruppenleiter im BABAR Experiment.    

 

Was bewegt Sie neben Physik und Arbeit?

Mich bewegt das Miteinander von Menschen die ihre Vielfalt als Stärke nutzen, um Ziele gemeinsam zu erschaffen und zu verfolgen. Was in großen internationalen Kollaborationen der Teilchenphysik funktioniert, könnte als Modell dienen, um die Herausforderungen von Globalisierung und Migration zu bewältigen. Daher engagiere ich mich ehrenamtlich in der Begleitung der Arbeitsmarktintegration von Migrant:innen und Geflüchteten.

 

Welches Angebot der DPG schätzen Sie am meisten?

Das wertvollste Angebot der DPG sind aus meiner Sicht die Frühjahrstagungen, bei denen man das erste Mal als jung:e Forscher:in Konferenzluft schnuppern kann. Es war 1987 für mich ein faszinierendes Erlebnis, dort als Doktorand den ersten eigenen Konferenzvortrag halten zu dürfen, Ich erlebe jedes Jahr bei den Promovierenden in meiner Arbeitsgruppe wie wichtig es für sie ist, dort in die Gemeinschaft der Forschenden aufgenommen und ernst genommen zu werden.

 

Welche Aufgabe sehen Sie für die Physik in der Gesellschaft von morgen?

Physik war und ist die Basis aller naturwissenschaftlichen Phänomene, sei es natürlichen oder technischen Ursprungs. Die Aufgabe der Physik ist es daher zuallererst Grundlagenforschung. Auf Basis dieser Grundlagen­forschung können Ideen wachsen und technische Entwicklungen passieren. Physikalische Grundlagen bieten für die Lösungen der Herausforderungen unserer Zeit das, was Dünger für einen Acker tut, ohne den nur schwer etwas gedeihen kann.  

 

Warum sollten sich PhysikerInnen verstärkt in den politischen Diskurs bzw. Alltag einbringen?

Physiker:innen ist die selbst-kritische wissenschaftliche Methodik des Aufstellens und Testens von Hypothesen, der Plausibilitätsbetrachtungen und Konsistenztests in Fleisch und Blut übergegangen. Dieser Prozess der Erkenntnis und Beurteilung von Daten und Fakten und ihren Unsicherheiten ist im Zeitalter der „Fake News“ und „Alternative Facts“ wichtiger denn je.

 

Mit welchem Thema beschäftigte sich Ihre Abschlussarbeit?

Die Messung der Kopplungsstärke der Starken Wechselwirkung zwischen Bottom-Quarks aus dem Verhältnis der Häufigkeiten von Zerfällen des „Bottomoniums“ über die Starke und über die Elektromagnetische Wechselwirkung.  

 

Welche Fragestellungen der Physik begeistert Sie heute am meisten? 

Der Blick zurück zum Anfang unseres Universums, sei es in Experimenten der Teilchenphysik, der Astrophysik oder in theoretischen Modellen der Kosmologie.

 

Woran arbeiten Sie heute?

Meine Gruppe vermisst zum ersten Mal bei der Schwachen Wechselwirkung das, was bei den Photonen des Lichts der Elektromagnetischen Wechselwirkung nicht passiert, nämlich dass die Feldquanten (W und Z) aneinander streuen. Dieser Prozess ist zentral für die Überprüfung der Theorie zur Brechung der Symmetrie der Schwachen Wechselwirkung und damit für bisher noch nicht experimentell überprüfte Eigenschaften des Higgs-Teilchens. 

 

Physik ist wie...

...ein kultureller Genuss im Theater oder im Konzert, ein Kulturgut, das die Wissenschaftler:innen als Kulturschaffende teilen und aktiv zu den Menschen tragen sollten.    

 

Bild: © Eva Hesse