Martin Biebl

"Es ist mehr Fachpersonal für die Digitalisierung nötig. Die Gelder sollten in OpenSource-Projekte fließen. Freie Software sollte gemeinsam mit Schulen zur freien Nutzung für alle entwickelt werden. Seien Sie ein Lobbyist für freie Bildung und Wissenschaft. Helfen sie den Bildungseinrichtungen."

Martin Biebl ist seit langen Jahren ein sehr engagierter Physiklehrer. Neben fachlich anspruchsvollem und motivierendem Unterricht - und das über viele Jahre und damit über hunderte von Physikstunden hinweg - hat er den German Young Physicists’ Tournament GYPT Stützpunkt im Norden aufgebaut und betreut diesen seit Jahren: "der Leuchtturm der Physik im hohen Norden!"

 

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Welches ist der schönste Konferenzort, den Sie kennen?

Der schönste Konferenzort für Tageskonferenzen ist das Körberforum in Hamburg. Hier haben wir gemeinsam mit der Initiative Naturwissenschaft & Technik (NAT) viele neue Ideen zur Stärkung der Physik in der Schule entwickelt. Es entstand so unter anderem der Hamburger Kurs für Teilchenphysik (HST), das Format Forscherfragen, die Mädchenförderung mint:pink, der Zukunftsrat, ...
Die besten Fortbildungswochen habe ich im Physikzentrum in Bad Honnef erleben dürfen. Nicht nur, weil unser ältester Sohn hier während einer einwöchigen Lehrerfortbildung sein Experiment "erste Schritte ohne Festhalten" erfolgreich absolvierte, sondern wegen der hervorragenden Inhalte und der vielen intensiven Gespräche nach den Vorträgen auch bis spät in die Nacht hinein.

 

Welchen Bezug haben Sie zur DPG?

Die Tür in die DPG wurde durch eine Lehrerfortbildung im Physikzentrum geöffnet. In die aktive Rolle brachte mich dann mein damaliger Anleiter während meines Referendariates in Bad Saulgau, Herrn Rudolf Lehn. Inzwischen erstrecken sich die Aktivitäten von der AG-Schule, der Vernetzung im Bereich Physiklehrerausbildung über die Stützpunktarbeit für das GYPT, dem Vorstandsrat hin bis zur Begutachtung von Anträgen für Fortbildungen. Die Zeit ist und bleibt der begrenzende Faktor.

 

Warum sollten sich Physikerinnen und Physiker verstärkt in den politischen Diskurs bzw. Alltag einbringen?

Die aktuelle Situation zeigt sehr gut, dass Wissen hilft, wenn es vermittelt werden kann. Wem könnte man blind vertrauend die Geschicke der Welt in die Hand legen? Es bleibt nur die Möglichkeit einer Demokratie, und diese muss auf Aufklärung setzen.
Dieses gilt vor allem im Bereich der Bildung. Eine Gesellschaft, die nur die Früchte der Wissenschaft ernten will und nicht "Ackerbau" betreiben möchte, muss Grundlagen importieren, anstatt für alle etwas anbieten zu können. Die Aufgaben der Politik lassen sich nicht aus dem Bauch heraus lösen. Physiker*innen sollten eine Interessenvertretung für freies Wissen sein.

 

Woran arbeiten Sie heute?

Heute arbeite ich an der Weiterentwicklung von Messanwendungen im Physikunterricht. Wenn man mit den Schülerinnen und Schülern Wettbewerbsaufgaben bearbeitet, wie beim GYPT, wird deutlich, welche Fähigkeiten benötigt werden. Es geht um Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens und darum, ein Bewusstsein zu schaffen, dass eine Ablesung an einem Messgerät noch lange kein belastbares Ergebnis ist. Ich versuche Freiräume in der Schule zu finden, zu schaffen und zu nutzen, um den Schülerinnen und Schülern hierfür Möglichkeiten der eigenen Erfahrung zu geben. Sie benötigen viele Grundlagen, Ideen von Konzepten, aber auch viel Zeit zum Ausprobieren. Gemäß einem Leitspruch von Maria Montessori: „Hilf mir, es selbst zu tun.“

 

Was Sie schon immer sagen wollten...

„Hilf mir, es selbst zu tun.“ Dieses ist ein Spagat zwischen finanziellen Randbedingungen, Zeitmangel und der ungleichen Motivation von zu großen Lerngruppen. Leider fehlt uns Personal. Wir brauchen kleinere Gruppen und mehr Fachpersonal, das sich um Ausbildung kümmert. Betreuung ersetzt keine Bildung.

Gerade jetzt beobachte ich mit Sorge, dass Millionen in Digitalisierung investiert werden. Es werden fertige betriebswirtschaftlich optimierte Systeme eingekauft und nicht in freie offene Systeme, die zur Entwicklung anregen, investiert.

Es ist mehr Fachpersonal für die Digitalisierung nötig. Die Gelder sollten in OpenSource-Projekte fließen. Freie Software sollte gemeinsam mit Schulen zur freien Nutzung für alle entwickelt werden. Seien Sie ein Lobbyist für freie Bildung und Wissenschaft. Helfen sie den Bildungseinrichtungen.