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Physik erfahrbar, hörbar und schmackhaft machen

Im Gespräch mit Jana Bürgers erfahren wir, was ihr am Vermitteln von Physik Spaß macht und welche Berufszweige die Wissenschaftskommunikation bietet.

Auf dem Berufsvorbereitungsseminar zu Wissenschaftskommunikation im Oktober 2019 konnten Studierende und Promovierende selbst Wissenschaftskommunikation ausprobieren und das Berufsfeld besser kennenlernen. Jana Bürgers (Doktorandin in Bonn) hat das Seminar organisiert.

Was ist Wissenschaftskommunikation und wer macht Wissenschaftskommunikation?

Wissenschaftskommunikation fängt schon an, wenn ich meinen Freunden erkläre, was ich in meiner Forschung eigentlich mache. Natürlich gibt es auch große Formate, zum Beispiel Fernsehsendungen wie „Quarks & Co“, in denen wissenschaftliche Themen ansprechend aufbereitet den Zuschauern erklärt werden. Ich denke, dass prinzipiell jeder Wissenschaftskommunikation betreiben kann, auch wenn er das nicht beruflich macht. Dafür gibt es schon alleine für den „Laien“ unzählige Möglichkeiten wie persönliche Gespräche, Science Slams, Blogs, Podcasts oder Videos. Aber natürlich gibt es auch Jobs in diesem Bereich, zum Beispiel in den Öffentlichkeitsstellen von Forschungseinrichtungen oder in den Redaktionen von Magazinen.

Wie bist du zur Wissenschaftskommunikation gekommen?

Ich habe schon relativ früh in meinem Physikstudium mit der Wissenschaftskommunikation angefangen, ohne zunächst zu wissen, dass es dafür einen eigenen Begriff gibt. Mich hat es gereizt, die oft komplizierten und komplexen Zusammenhänge in den Wissenschaften auf das Wesentliche herunterzubrechen und das dann auf kreative Weise zu vermitteln. Seit meinem dritten Semester mache ich zum Beispiel bei der Physikshow der Uni Bonn mit. Dort schreiben wir in einer studentischen Gruppe Theaterstücke, in die wir physikalische Experimente mit ihren Erklärungen einbetten. Außerdem arbeite ich gelegentlich im Deutschen Museum Bonn, wo ich Workshops für Kinder leite und auch schon selber welche konzipiert habe. Dabei reizt mich besonders, Physik in Experimenten den Kindern „schmackhaft“ zu machen und zu sehen, wie sie sich komplexe Zusammenhänge spielerisch erarbeiten.

Was ist das für ein Gefühl, Wissenschaft auf einer Bühne zu präsentieren?

Durch die Physikshow der Uni Bonn habe ich schon häufiger auf der Bühne gestanden und dort physikalische Phänomene erklärt. Es hat mir schon immer sehr viel Spaß gemacht, in eine Rolle zu schlüpfen. Durch eine Rolle hat man nochmal ganz andere Möglichkeiten, Menschen anzusprechen, als wenn man als Studentin oder Doktorandin einen Vortrag über ein physikalisches Thema hält. Gerade zur Physikshow kommen auch viele Leute, die keinen physikalischen Hintergrund haben. Ich finde es immer wieder toll, nach den Shows die Rückmeldung zu bekommen, dass Physik ja sehr „unterhaltsam“ sein kann und die Leute ganz nebenbei etwas gelernt haben. Es gibt jedoch auch Herausforderungen, wenn man Wissenschaft live auf einer Bühne präsentiert. Wenn ein Experiment nicht klappen will, muss man schon mal improvisieren. Da hilft es dann in machen Situationen, wenn man einen Spruch parat hat und auch mal über sich selbst lachen kann ;-)

Du spielst auch in einem Orchester. Wie sind aus deiner Sicht Physik und Musik miteinander verbunden?

Natürlich gibt es zunächst einmal die Akustik, die ganz unmittelbar Physik und Musik verbindet. Ich kann zum Beispiel die Klangerzeugung meiner Geige aus physikalischer Sicht erklären. Aber ich entdecke auch immer wieder Parallelen, die über die Akustik hinaus gehen. Gerade in der klassischen Musik gibt es viele kompositorische Regeln und Strukturen. Beispielsweise ergibt eine bestimmte Anzahl von Schlägen einen Takt, eine gewissen Anzahl von Takten bildet eine Phrase, die Phrasen zusammen ergeben einen Satz, mehrere Sätze bilden ein Musikstück. Das ist vergleichbar mit der Physik: Alles hat ein mathematisches Grundgerüst, auf dem es aufbaut.

Im letzten Jahr hatte ich aber noch eine andere besondere Gelegenheit, Physik und Musik miteinander zu verbinden. Ausgehend von der Physikshow haben wir in einer studentischen Gruppe ein Physikshow-Musical geschrieben, in dem physikalische Phänomene in Liedtexte verpackt von uns besungen wurden. Das spricht auch die Zuschauer auf einer ganz neuen Ebene an, wenn sie die Melodien mitsummen können und ganz nebenbei zum Beispiel etwas über die verschiedenen Sterntypen erfahren. Das zeigt, wie lebendig Physik ist und sogar künstlerische Aspekte besitzen kann.

Wo hilft dir Wissenschaftskommunikation in deinem Forschungsalltag weiter?

Ich promoviere in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, wo wir regelmäßig Gruppenseminare haben und uns gegenseitig unsere Arbeit der letzten Wochen vorstellen. Dabei ist es sehr hilfreich, wenn ich mein eigenes Themenfeld so erklären kann, dass Kollegen aus anderen Fachgebieten verstehen, was ich mache. Manches Mal kommen da noch Tipps von Kollegen, die von einem anderen Fach kommen und dadurch mit einem anderen Blickwinkel auf meine Arbeit schauen. Im kommenden Frühjahr werden wir mit der Arbeitsgruppe außerdem einen Stand bei der Bonner Wissenschaftsnacht betreuen, wo wir den Bonner Bürgern unsere Forschung präsentieren. Das erfordert noch mehr Kreativität, weil die Besucher in der Regel kaum Vorwissen über unsere Themen haben und wir sie trotzdem ansprechen und von unserer Forschung begeistern möchten.

Was habt ihr auf dem Wissenschaftskommunikationsseminar gemacht?

Für das Seminar hatten wir Referenten aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaftskommunikation eingeladen. Es gab Vorträge über die Aufgaben und den Arbeitsalltag in der Pressestelle eines Forschungsinstituts, über Wissenschaftsjournalismus, aber auch über studentische Formate wie den Pint of Science oder die Physikshow Bonn. Dabei haben wir vor allem mit den Referenten diskutiert und gezielt Fragen gestellt. Außerdem konnten wir das Deutsche Museum Bonn besuchen. Einer der Besucherführer hat uns dort erklärt, was die Herausforderungen eines Museums sind und wie naturwissenschaftliche Themen anschaulich vermittelt werden. Natürlich gab es auch Gelegenheiten, mit den anderen Seminarteilnehmern ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen. Am zweiten Abend, den wir als „bunten Abend“ gestaltet haben, haben wir zum Beispiel viel voneinander über unsere sonstigen Aktivitäten, Hobbies und Projekte gehört. Wir konnten alle sehr viel von dem Wochenende mitnehmen und viele Anregungen bekommen, was wir in Zukunft im Bereich Wissenschaftskommunikation machen könnten.

Was hast du bei der Organisation des Seminars gelernt?

Vor allem habe ich gelernt, wie vielseitig die Wissenschaftskommunikation ist! Wenn man sich dafür interessiert, hat man schon während des Studiums unzählige Möglichkeiten, sich auszuprobieren und in das Feld einzusteigen. Durch die Recherche nach Referenten habe ich viele Berufsfelder kennengelernt und bin mit vielen Menschen in Kontakt gekommen, die Interessantes aus ihrem Berufsalltag zu erzählen hatten. Die Organisation des Seminars hat mich bei der Konkretisierung meiner beruflichen Laufbahn auf jeden Fall weitergebracht, weil ich darüber viele Jobmöglichkeiten gesehen habe, an die ich vorher gar nicht gedacht hatte. Außerdem konnte ich die schöne Erfahrung machen, dass viele Menschen sehr hilfsbereit sind und gerne ihre Erfahrungen weitergeben, wenn man sich für ihre Tätigkeiten interessiert.

Was ist das Beste daran, Kindern oder älteren Menschen Wissenschaft zu erklären?

Vor allem bei Kindern finde ich es toll, dass sie mit so einer großen natürlichen Neugier Naturwissenschaften begegnen. Manchmal sind es gerade Kinder, die Fragen stellen, über die man noch nie nachgedacht hat, und die einen dann erst einmal selber ins Grübeln bringen. Oft haben Kinder eine große Neugier und Entdeckerfreude und sind offen für alles mögliche, was man ihnen zeigt. Wenn ich älteren Menschen etwas aus der Physik erklären möchte, höre ich oft als erste Reaktion: „Ich kann Physik nicht, dafür bin ich nicht schlau genug.“ Das ist Quatsch! Ich mag die Herausforderung, komplizierte Themen so herunterzubrechen oder Analogien zu finden, damit man sie auch ohne physikalisches Hintergrundwissen zumindest prinzipiell verstehen kann. So kann ich manches Mal die anfängliche Ablehnung in Neugier verwandeln.

 

Interview: Hannes Vogel