Bericht zur AKA-Fachsitzung bei der DPG-Frühjahrstagung 2004 in München

Die diesjährige Fachsitzung des Arbeitskreises Physik und Abrüstung der DPG (www.dpg-fachgremien.de/aka) fand am 25. und 26.03.2004 in München statt und demonstrierte mit 15 angemeldeten Vorträgen und drei eingeladenen Hauptvorträgen erneut die große Breite naturwissenschaftlicher Arbeiten im Spannungsfeld von Physik und internationaler Sicherheit.

Frederick K. Lamb (Univ. Illinois), Sprecher der Boost-Phase Missile Defense Study Group gab einen Überblick über die Ergebnisse einer von der American Physical Society durchgeführten zweijährigen Studie (www.aps.org/public_affairs/popa/reports/nmd03.cfm). Eine funktionsfähige Abwehr von Raketen während der Startphase ist frühestens in zehn Jahren möglich. Hierbei sind jedoch hohe technische Hürden zu überwinden, was in einigen Fällen (Weltraumsysteme, Abwehr gegen Feststoffraketen) nicht erreichbar scheint.

In einer Sitzung über Neue Kernwaffen berichteten Wolfgang Liebert von IANUS (TU Darmstadt) und Wolfgang Rosenstock vom INT (Euskirchen) über Konzepte der US-Administration, kleinere erdeindringende Kernwaffen zu entwickeln. Eindringtiefen über einige 10 m sind aus heutiger Sicht praktisch ausgeschlossen, daher kann radioaktiver Fallout nicht vermieden werden. Zusätzlich gerät der Teststoppvertrag in Gefahr.

Christian Alwardt vom IFSH (U Hamburg) untersuchte die Fortschritte im Bereich von Cruise-Missile Technologien und deren Implikationen für die internationale Sicherheit. Tom Bielefeld von der Landesmessstelle für Radioaktivität Bremen beschrieb die aktuellen Entwicklungen, Perspektiven und Grenzen der kontinentalen US-Raketenabwehr, die demnächst stationiert werden soll. Björn Michaelsen vom IFSH präsentierte Untersuchungen über die Konsequenzen einer Raketenabwehr mit dem Airborne Laser für den wahrscheinlichen Fall, dass Sprengköpfe zwar abgefangen jedoch nicht zerstört werden, sondern vor Erreichen des Ziels abstürzen.

Im Bereich nukleare Proliferation diskutierte zunächst Alexander Glaser von IANUS die besonderen Eigenschaften von Gas-Ultrazentrifugen in Hinblick auf die Nicht­verbreitungs­problematik. Götz Neuneck vom IFSH beschrieb die Vorgeschichte und den Stand des iranischen Nuklearprogramms und analysierte die Vorwürfe, Iran betreibe ein Kernwaffenprogramm. Christoph Pistner von IANUS diskutierte die Eignung uranfreier Brennstoffe für eine Reduktion von vorliegenden Plutoniumbeständen.

Im Bereich der Verifikation stellte Jürgen Altmann (U Dortmund) einen kooperativen Ansatz für ein Frühwarnsystem von Raketenstarts für die USA und Russland auf der Basis von akustischen oder seismischen Sensoren vor. Morton Canty vom FZ Jülich diskutierte Änderungsdetektionsverfahren für Satellitenaufnahmen zur Entdeckung von undeklarierten nuklearen Anlagen.

Robert Schmucker (Schmucker Technologie München) analysierte die Proliferation von Raketentechnologien in Krisenregionen und beleuchtete die Weitergabepfade und Hauptakteure. Nach seiner Analyse sind die meisten Fernraketen der dritten Welt russischer oder chinesischer Herkunft. Die Entwicklung von Detektoren für Nuklearmaterialien an Grenzübergängen im Rahmen eines IAEO Programms zur Bekämpfung von Nuklear­schmuggel wurde von Peter Beck vom ARC Seibersdorf vorgestellt.

Klaus Lützenkirchen vom ITU Karlsruhe erläuterte Messverfahren für die Untersuchung von nuklearen Materialien im Rahmen von Euratom-Safeguards und beschrieb Methoden zur Bestimmung der Herkunft aufgefundener nuklearer Proben.

Über die Klassifikation von Militärfahrzeugen im Rahmen einer Verifikation von Rüstungskontrollverträgen durch akustische und seismische Sensoren berichtete Axel Weiss (Humboldt Universität Berlin).

Josef Feichter vom MPI für Meteorologie in Hamburg stellte Ergebnisse von globalen Transportrechnungen für die Ausbreitung von Kr-85 zum Vergleich von angenommenen Quellverteilungen und Messdaten vor. Diese könnten zur Detektion einer nichtdeklarierten Wiederaufarbeitung und Plutoniumproduktion dienen. Clemens Schlosser vom BfS (Freiburg) berichtete über die Anforderungen an das globale Messnetz für radioaktive Xenon-Isotope, welches im Rahmen des Vertrages zum umfassenden Verbot von Kernwaffentests (CTBT) zur Zeit aufgebaut wird. Abschließend schilderte Martin Kalinowski von der CTBTO (Wien), wie aufgrund von unterschiedlichen Isotopenzusammensetzungen der gemessenen Xenon­proben eine Unterscheidung zwischen erlaubten Freisetzungen aus Reaktoren und solchen aus verbotenen Kernwaffentests möglich sein könnte.

Die Vorträge im Rahmen des AKA waren auch in diesem Jahr mit zwischen 50 und 150 Besuchern pro Vortrag sehr gut besucht. Die angeregten Diskussionen demonstrierten erneut, dass die Thematik Physik und Abrüstung auch aufgrund vieler aktueller Bezüge von hoher Relevanz ist und auf großes Interesse stößt.

Christoph Pistner, 02.06.2004