Tagungsnachlese Heidelberg 1999

Die Tagung des Fachverbandes Theoretische und Mathematische Grundlagen der Physik (MP), die im Rahmen der Frühjahrstagung der DPG in Heidelberg vom 15.-19.3.1999 stattfand, wurde entscheidend geprägt durch drei gemeinsame Sitzungen mit anderen in Heidelberg tagenden Fachverbänden. Die Tagung wurde eröffnet durch das sehr gut besuchte, gemeinsam mit dem Fachverband Quantenoptik (Q) veranstaltete Symposium "Quanteninformationsverarbeitung". Im ersten Vortrag beschrieb Nicolas Gisin (Genf) seine Experimente mit Photonen zur Bellschen Ungleichung. Anschliessend gab Reinhard Werner (Braunschweig) eine Einführung in die Begriffsbildungen der Quanteninformationstheorie. Thomas Beth (Karlsruhe) sprach über die kohärente Kontrolle von Quantensystemen und die Stabilisierung und Reproduktion von Quantenzuständen durch fehlerkorrigierende Codes unter Benutzung von Methoden aus der Diskreten Mathematik, und Michal Horodecki (Gdansk) analysierte maximal verschränkte Zustände und ihre Rolle für die Quantenkommunikation.

Im ersten Hauptvortrag präsentierte Franz Wegner (Heidelberg) interessante Anwendungen neuer Flussgleichungen für Hamilton-Operatoren in der kondensierten Materie, und Christian Wieczerkowski (Münster) gab einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Renormierungsgruppentheorie und ihrer Anwendung auf kritische Phänomene und in der Quantenfeldtheorie. Eine Umformulierung der Quantenmechanik als universelle Yang-Mills Theorie im Phasenraum wurde von Martin Reuter (Mainz) vorgestellt.

In der gemeinsamen Sitzung mit den Fachverbänden Teilchenphysik (T) und Gravitation und Relativitätstheorie (GR) beschrieb Valeria Ferrari (Rom) verschiedene Methoden zur Berechnung der Gravitationsstrahlung, welche z.B. von Sternen und Schwarzen Löchern emittiert wird, und Jan Louis (Halle) diskutierte die neuesten Entwicklungen in der Stringtheorie. Die vielfältigen Anwendungen der Zufallsmatrixtheorie in der Quantenphysik wurden von Hans Weidenmüller (Heidelberg) dargestellt.

A. Recknagel (Leipzig) untersuchte mit Methoden der Konformen Feldtheorie die Eigenschaften von "D-branes", und Andreas Fring (Berlin) illustrierte die Verwendung eines thermodynamischen Bethe Ansatzes und die Rolle verallgemeinerter Statistiken beim Studium des Ultraviolettverhaltens integrabler Quantenfeldtheorien. Michael Duetsch (Hamburg) stellte die lokale Konstruktion von Observabeln in Form von BRST-invarianten Feldern im Falle nichtabelscher Eichtheorien vor.

Die Haupt-und Fachvorträge am Donnerstag waren dem Thema Quantenchaos gewidmet. Andreas Knauf (Leipzig) präsentierte die neuesten Ergebnisse zur Potentialstreuung und zeigte u.a., dass das dreidimensionale himmels- mechanische n-Zentrenproblem für n > 2 zu einer Cantormenge gebundener Orbits führt, deren fraktale Dimension und dynamische Entropie universelles Hochenergieverhalten besitzen. Jens Bolte (Ulm) stellte eine semiklassische Theorie der Dirac Gleichung vor, welche in semiklassisch führender Ordnung die Lösung einer Spintransport Gleichung erfordert, erläuterte das Auftreten einer geometrischen (Berry) Phase und gab eine Spurformel an. Jens Marklof (Bures-sur-Yvette) untersuchte die Quantisierung einer symplektischen (chaotischen) Abbildung des 2-Torus und gab das erste bekannte Beispiel für ein Hamiltonsches System an, für welches die Erwartungswerte der quantenmechanischen Observablen für alle Eigenzustände im semiklassischen Limes gegen den Phasenraum-Mittelwert der klassischen Observablen konvergieren (quantum unique ergodicity). Die semiklassische Theorie für Systeme mit gemischtem Phasenraum, welche sowohl chaotisches als auch reguläres Verhalten aufweisen, und mit Diffraktion, wie sie z.B. an magnetischen Flusslinien auftritt, wurde von Martin Sieber (Dresden) entwickelt. Schliesslich stellte Guenter Wunner (Stuttgart) ein neues Verfahren zur semiklassischen Quantisierung vor, welches auf der Anwendung der harmonischen Inversion auf die klassische Wiederkehrfunktion beruht. Grosses Interesse fand auch der Plenarvortrag von Jacques Laskar (Paris) über die neuesten numerischen Experimente zum Sonnensystem, welche ergeben, dass die Bewegung der kleinen Planeten (Merkur, Venus, Erde, Mars und Pluto) chaotisch ist.

Den Abschluss der Hauptvorträge bildete am Freitag die gemeinsame Sitzung mit dem Fachverband Gravitation und Relativitätstheorie (GR), welche von Norbert Straumann (Zuerich) mit einem Vortrag über Gravitationslinsen, Dunkle Materie und die Bestimmung der kosmologischen Parameter eröffnet wurde. Klaus Fredenhagen (Hamburg) berichtete über die jüngsten Erfolge bei der Konstruktion einer Quantenfeldtheorie auf gekrümmter Raumzeit, und Jutta Kunz (Oldenburg) gab einen Überblick über Schwarze Löcher - Lösungen mit "nichtabelschen Haaren" in Theorien wie z.B. der Einstein-Yang-Mills Theorie.

Die Hauptvorträge wurden ergänzt durch eine Postersitzung und zahlreiche interessante Fachvorträge über Themen aus den Gebieten Quantenfeldtheorie, Stringtheorie, Quantenchaos, Statistische Mechanik, Nichtkommutative Geometrie und Quanteninformationstheorie.

Frank Steiner